Legal Hacker
Menschenrechte und Digitalisierung haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten als untrennbar miteinander verbunden gezeigt. Die digitale Sphäre ist kein fernab bestehender virtueller Raum, sondern ist für uns alle ganz real. Viele Menschenrechtsfragen haben heute technische Implikationen, sei es, dass autoritäre Regime Überwachungssysteme immer mehr ausbauen wollen oder sich Menschen in den sozialen Medien selbst exponieren und der Manipulation aussetzen. Vor meinem Jus-Studium habe ich acht Jahre als Techniker in der Telekomindustrie gearbeitet, ich weiß daher auch, wie einfach es ist, diese Systeme zu überwachen und anzuzapfen.
Ein Hack, der über fünf Jahre ging
Schon vor der Gründung meines Forschungs- und Beratungsunternehmens "Research Institute - Digital Human Rights Center" habe ich mich zivilgesellschaftlich engagiert, etwa im ,Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich‘ (kurz: AK-Vorrat), dessen Ziel es war, die Vorratsdatenspeicherung zu bekämpfen. Das hat zu folgender absurd wirkender Situation geführt: Als Legist am Ludwig-Boltzmann-Institut für Grund- und Menschenrechte war ich selbst an der Ausarbeitung der Novelle zur Vorratsdatenspeicherung beteiligt. Und per Individualantrag habe ich dann genau diesen Entwurf beim Verfassungsgerichtshof angefochten. Ich bin damals gefragt worden, ob ich vielleicht schizophren bin. Aber mir ging es darum, zu zeigen, dass das Dogma der verdachtslosen ,Vorratsdatenspeicherung‘ im Kern und vor allem angesichts des Zugriffs der Polizei auf Daten der Telekom- und Internetwirtschaft unvereinbar mit unseren Grundrechten ist. Selbst wenn wir uns noch so bemühen, ein technisch missbrauchssicheres Gesetz zu gestalten.
Das war ein Hack, der über fünf Jahre ging – kein krimineller Hack, sondern im positivsten Sinn des ethischen Hackens. Ich bin aber bis heute davon überzeugt, dass wir damals beim Europäischen Gerichtshof nicht gewonnen hätten, wenn nicht ein Monat vorher Edward Snowden mit seinen Informationen an die Öffentlichkeit getreten wäre. Die Stimmung damals im Juli 2013 in Luxemburg war so eine andere, wir sind plötzlich aus dem Verschwörungstheoretiker-Eck ins Zentrum der Realität gerückt.
Katalysator für Datenschutz
Max Schrems, den ich an der Uni Wien kennengelernt habe, hat zur selben Zeit seine erste Facebook-Klage geschrieben, 2017 gründeten wir dann gemeinsam die NGO ,noyb‘ (none of your business, Anm.). Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai 2018 in Kraft trat, wirkte für das gesamte Thema wie ein Katalysator, der Datenschutz ist zwar nur die Spitze des Eisbergs, bereitet aber für alle Grund- und Freiheitsrechte den Boden auf.
„Datenschutz ist zwar nur die Spitze des Eisbergs, bereitet aber für alle Grund- und Freiheitsrechte den Boden auf.“Christof Tschohl
Er hat nach der HTL für Nachrichtentechnik und einigen Jahren technischer Berufspraxis Rechtswissenschaften an der Universität Wien studiert und zum Themenkreis Datenschutz, IT Sicherheit, Telekommunikation, Strafrecht und „Privacy by Design“ promoviert.
Mit meinem Unternehmen biete ich Firmen und Organisationen u. a. sogenannte Datenschutz-Folgenabschätzungen an, die wir in unseren Forschungsprojekten teils schon mit einem ,Human Impact Assessment‘ verbinden. Und obwohl das Bewusstsein für das Thema gestiegen ist, plädiere ich für eine ,digital literacy‘ schon ab dem Volksschulalter: Bildung, Bildung, Bildung – damit man auch das Kleingedruckte versteht, das am Bildschirm aufpoppt.
Der Beitrag ist im November 2022 im univie-Alumnimagazin der Universität Wien erschienen.