Quantenforschung

Mikroskopie im Zeitalter der Quantenphysik

29. April 2025 Gastbeitrag von Thomas Juffmann

Im Rahmen der aktuellen Semesterfrage erklärt Thomas Juffmann, Leiter der Forschungsgruppe für Quantenoptik und Mikroskopie an der Universität Wien, wie die Quantenphysik zur Entwicklung moderner Mikroskope mit atomarer Auflösung beigetragen hat, und wie sie diese in Zukunft weiter verbessern könnte.

Die Quantenphysik bereitet Grundlagen für neue Mikroskopiemethoden, die für große Fortschritte in Wissenschaft und Technologie sorgen. © Pixabay

Es gibt Dinge, die wir nicht mit dem Auge sehen können: Bakterien, Viren, Atome. Bakterien wurden erstmals vor 350 Jahren in einem Mikroskop von Antonie van Leeuwenhoek gesehen – eine "kleine" Entdeckung, die Biologie und Medizin revolutionierte. Heute können wir, dank der Quantenphysik, einzelne Atome sehen. Die Mikroskopie steht nun vor der Herausforderung, die molekulare Dynamik in biologischen Proben abzubilden. 

Mit traditioneller Lichtmikroskopie kann man Strukturen sichtbar machen, die größer sind als die Wellenlänge des Lichts. Lange Zeit schien es unmöglich, einzelne Atome zu sehen oder gar zu manipulieren. Die Quantenphysik bereitete die Grundlagen für neue Mikroskopiemethoden, die nun abermals für große Fortschritte in Wissenschaft und Technologie sorgen.

Quantisierte Energieniveaus

Eine dieser Grundlagen besteht in den diskreten Energieniveaus von Atomen und Molekülen, welche von der Quantenphysik beschrieben werden. Diese sind Voraussetzung für die Fluoreszenzmikroskopie, welche die Detektion einzelner Moleküle erlaubt. Nutzt man die Energieniveaus und deren zeitliche Dynamik geschickt aus, kann man auch die Auflösungsgrenze brechen, und Strukturen "superaufgelöst" abbilden, was zu unzähligen Entdeckungen in der Zell- und Molekularbiologie geführt hat.

Atome sehen mit Elektronen

Eine weitere Grundlage der modernen Mikroskopie besteht darin, dass Elektronen in der Quantenphysik mit einer Wellenfunktion beschrieben werden. Ähnlich wie elektromagnetische Wellen (Licht), können diese sogenannten Materiewellen an Objekten gebeugt, oder mit einer Linse fokussiert werden. Allerdings liegt deren Wellenlänge im Pikometerbereich, also im Bereich von Millionstel Millionstel Metern. Dies motivierte Ernst Ruska in den 1930er Jahren erste Elektronenmikroskope zu bauen. Bald erreichte er ein Auflösungsvermögen, das 100 Mal besser war als jenes in der Lichtmikroskopie. Heutzutage erreichen Elektronenmikroskope eine Auflösung von wenigen zehn Pikometern. Man kann damit einzelne Atome nicht nur sehen, sondern auch manipulieren, was die Elektronenmikroskopie in der Nanophysik und den Materialwissenschaften unverzichtbar macht.

Gute Auflösung allein reicht nicht

In biologischen Anwendungen wurde diese Auflösung allerdings noch nicht erreicht. Da biologische Proben durch die Interaktion mit Elektronen zerstört werden, darf man nur wenige Elektronen zum Abbilden verwenden. Dies führt zu verrauschten Bildern. Ein großer Durchbruch gelang mit der Entwicklung der Kryoelektronenmikroskopie, bei der zehntausende verrauschte Bilder von identen Proteinen ausgewertet werden, um die atomare Struktur dieses Proteins zu entschlüsseln. Diese Methode half unter anderem dabei, die Struktur und Funktionsweise verschiedener Varianten des COVID-19-Virus zu entschlüsseln. 

Möchte man aber ein einzelnes Protein hochaufgelöst abbilden, oder die Dynamik von Proteinen abbilden, ist es unerlässlich neue Mikroskopiemethoden mit höherer Sensitivität zu entwickeln. Die Quantenforschung kann hier wesentliche Beiträge leisten. Im Folgenden möchte ich drei Ansätze aus meinem Labor beschreiben.

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Elektronen mit Licht kontrollieren

Ein Ansatz besteht darin, das Elektronenmikroskop für die Untersuchung einer bestimmten Probe zu optimieren. In meinem Labor nutzen wir beispielsweise die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Licht, um die Wellenfunktion der Elektronen zu manipulieren. Ziel ist es, die Wellenfunktion so zu formen, dass nach der Interaktion mit der Probe möglichst viel Information in den Elektronen steckt, und diese auch effizient ausgelesen werden kann.

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Vor 100 Jahren war das Auflösungsvermögen der Mikroskopie 10.000 Mal schlechter als heute. Was werden wir in 100 Jahren sehen können? Werden wir jedes Molekül in einer Probe auf Nanosekundenskala verfolgen können? Oder könnte es sein, dass die Mikroskopie obsolet wird, weil computergestützte Simulationen das Experiment ablösen?

Stellen Sie Ihre Fragen direkt an den Forscher und teilen Sie Ihre Meinung im Forum! Thomas Juffmann wird von 14.30 bis 16.00 Uhr im Diskussionsforum auf derStandard.at auf Postings und Fragen antworten und freut sich auf die Diskussion!

Licht mit Elektronen auslesen

In einem weiteren Projekt nutzen wir den photoelektrischen Effekt um die Vorteile von Licht- und Elektronenmikroskopie zu vereinen. In Zusammenarbeit mit der Universität Leiden und dem Heyrovsky Institut haben wir das weltweit erste optische Nahfeld Elektronenmikroskop gebaut: Wir beleuchten eine Probe mit Licht, und wandeln die entstehenden Lichtintensitätsmuster in einen Elektronenstrahl um, den wir abbilden. Dies geschieht ganz nah an der Probe, wodurch wir eine hohe räumliche (~30nm) und zeitliche (<0.1s) Auflösung erreichen. Die Probe bleibt unversehrt und muss auch nicht chemisch modifiziert werden. Damit bieten sich einzigartige Möglichkeiten zur Untersuchung von dynamischen Prozessen auf Oberflächen – sei es in der Elektrochemie oder in der Biophysik.

Gruppenbild der Forschergruppe um Juffmann
In einem weiteren Projekt, wird der photoelektrische Effekt genutzt, um die Vorteile von Licht- und Elektronenmikroskopie zu vereinen. © Sandor Fülöp, Max Perutz Labs

Verschränkte Elektronen

Abschließend möchte ich noch über Verschränkung sprechen. Diese besondere Art der Korrelation zwischen zwei Teilchen kann man nutzen, um Messungen präziser zu machen. Dies wird bei der Detektion von Gravitationswellen bereits eingesetzt. Wir wollen, gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von der TU Wien, der JKU in Linz und der Universität Innsbruck, versuchen, Elektronen mit den Ionen eines Quantencomputers zu verschränken. Im ersten Schritt wird uns dies ein besseres Verständnis davon geben, wie ein Elektron mit einem Atom wechselwirkt. Im zweiten Schritt wollen wir die Verschränkung nutzen, um mehr Information über eine Probe zu gewinnen, bevor diese zerstört wird. Dies könnte in der Zukunft helfen, die Struktur von einzelnen Proteinen zu rekonstruieren, oder die Architektur von Zellen besser abzubilden. Es wäre ein weiterer Schritt hin zu Mikroskopiemethoden, die Biologie auf molekularer Ebene sichtbar machen.

© Vienna Center for Quantum Science and Technology
© Vienna Center for Quantum Science and Technology
Thomas Juffmann ist Professor der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation. Nach Forschungsaufenthalten in den USA (Stanford University) und Frankreich (ENS Paris), leitet er seit 2018 eine interdisziplinäre Forschungsgruppe mit Affiliation an der Fakultät für Physik und den Max Perutz Labs.

Ziel der Gruppe Quantenoptik und Mikroskopie ist es, neue Methoden zu entwickeln, die dynamische Proben hochauflösend und sensitiv abbilden können. Dabei versucht die Gruppe, Konzepte aus der Quantenmetrologie in die Mikroskopie zu übertragen. Die Anwendungsgebiete der entwickelten Mikroskope reichen von der Biophysik bis hin zur Elektrochemie.

Dieser Artikel erschien im Rahmen der Kooperation zur Semesterfrage auch auf derStandard.at.