Motivation

Den inneren Schweinehund überwinden

5. Mai 2022 von Veronika Job
Die Motivationspsychologin Veronika Job zeigt einige Aspekte auf, die unser Verhalten angesichts von Verlockungen und inneren Widerständen erklären.
Apfel oder Doughnut? Wer sich eine gesunde Ernährung zum Ziel setzt, kann leicht in alte Muster zurückfallen. Willenskraft spielt eine große Rolle. © Pexels/Ayrton

Sicher waren Sie auch schon einmal in einer solchen Situation: Sie versuchen, eine wichtige Aufgabe zu erledigen, und nach kurzer Zeit haben Sie das Gefühl, Sie müssten eine Pause machen und sich erfrischen. Vielleicht surfen Sie im Internet, holen sich einen Kaffee oder essen einen Schokoriegel. Aber brauchten Sie wirklich eine Pause? Oder Sie setzen sich ein Ziel, zum Beispiel mehr Sport zu treiben oder sich gesünder zu ernähren, aber nach einiger Zeit fallen Sie wieder in alte Gewohnheiten zurück, was dazu führt, dass Sie Ihr Ziel aufgeben. Oder vielleicht ist der süße Nachtisch einfach zu verlockend, und Sie können nicht länger widerstehen. Aber war es wirklich so, dass Sie nicht widerstehen konnten?

In solchen Situationen brauchen Menschen Selbstkontrolle, auch bekannt unter dem Ausdruck "Willenskraft". Sie hilft dabei, sich über längere Zeit auf etwas zu konzentrieren, sich von Ablenkungen abzuschirmen, Belohnungen aufzuschieben und dranzubleiben, wenn es schwierig wird. Auch wenn es darum geht, schwierige Aufgaben anzupacken, anstatt sie vor sich herzuschieben, spielt Willenskraft eine maßgebliche Rolle.

 

Läufer in Startposition
Wer glaubt, dass Willenskraft eine limitierte Ressource ist, gibt Ziele tendenziell früher auf. © Pexels/ Niko Twisty

Ist Willenskraft begrenzt – oder sind die Grenzen vor allem in unserem Kopf?

Psychologische Forschung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass die Art und Weise, wie Menschen über Willenskraft denken, einen Einfluss darauf hat, wie gut sie Willenskraft mobilisieren können. Manche Menschen gehen davon aus, dass ihre Willenskraft begrenzt ist – dass sie nur über eine bestimmte Menge verfügen, die schnell aufgebraucht ist. Menschen mit einer solchen Denkweise glauben, dass sie Versuchungen nicht lange widerstehen können und dieser Glaube selbst bewirkt, dass sie Verlockungen früh nachgeben. Wie bei einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Wenn die Menschen jedoch glauben, dass die Willenskraft nicht limitiert ist – dass sie sich auch über lange Zeiträume auf sie verlassen können –, tun sie das auch. Wenn ein Ziel schwer zu erreichen scheint, geben sie nicht so leicht auf und können auch bei mehrfacher Belastung lange durchhalten. Forschung zeigt, dass Personen mit einer solch "nichtlimitierten" Einstellung zu Willenskraft ihre persönlichen Ziele besser erreichen und dadurch auch zufriedener und glücklicher sind in ihrem Leben.

Ein Grund dafür ist, dass Sie, gerade dann wenn es darauf ankommt, zum Beispiel in den Wochen vor wichtigen Prüfungen im Studium, mehr Kraft aufwenden können für ihre Ziele. Sie zeigen aber auch in anderen Bereichen gesünderes Verhalten. So essen sie weniger ungesunde Nahrungsmittel, machen auch in stressreichen Phasen mehr Sport und weisen, wie eine jüngste Studie gezeigt hat, auch besseres Schlafverhalten auf. Während Personen mit einer limitierten Sichtweise nach einem stressreichen Tag später ins Bett gehen als geplant, schaffen es Personen mit einer nichtlimitierten Sichtweise, rechtzeitig ins Bett zu kommen.

Prinzipiell ist es möglich, diese Einstellungen zu verändern, zum Beispiel wenn man gewisse neue Erkenntnisse gewinnt. Unsere Denkweisen über Willenskraft sind aber kulturell geprägt und entwickeln sich in der Kindheit. So haben mehrere Studien gezeigt, dass Menschen in Südostasien im Vergleich zu unserer westlichen Kultur eher eine nichtlimitierte Einstellung haben. Außerdem scheinen Eltern eine wichtige Vorbildfunktion zu übernehmen. Sie leben vor, durch ihr Verhalten nach der Arbeit oder am Wochenende, ob es wichtig ist, sich in der Zeit vor allem passiv zu entspannen, oder ob es immer noch möglich ist, aktiv zu sein (zum Beispiel bei der Gartenarbeit).

Es ist aber auch wichtig, allgemein die richtigen Ziele zu verfolgen. Menschen, die sich überwiegend Ziele setzen, bei denen ihnen die Tätigkeit Spaß bringt oder die ihnen richtig wichtig sind, können auch im Erwachsenenalter eine eher nichtlimitierte Einstellung zu Willenskraft entwickeln. Weil sie allgemein mehr Freude und Energie im Leben verspüren, hilft ihnen das, auch wenn es mal schwierig ist durchzuhalten. Das fördert eine nichtlimitierte Einstellung zu Willenskraft.

Noch besser ist es, gar nicht erst Willenskraft zu brauchen

Für Menschen, die sich dennoch in Versuchungssituation schwer damit tun, Willenskraft aufzubringen, gibt es eine andere Strategie: im Vorfeld dafür zu sorgen, dass man gar nicht erst Willenskraft aufwenden muss. Man kann nämlich vorausschauend so planen, dass man Versuchungen zu einem gewissen Grad reduziert. Zum Beispiel kann man im Supermarkt dem Regal mit den Süßigkeiten ausweichen und dafür sorgen, dass man bei dar abendlichen Heißhungerattacke keine ungesunden Snacks im Küchenschrank findet.

Natürlich kann einen diese Strategie nicht komplett vor Versuchungen schützen, da wir in unseren Städten häufig die Möglichkeit haben, selbst nachts irgendwo einzukaufen (zum Beispiel bei einem Tankstellenshop). Dennoch schützt uns eine vorausschauende Strategie dadurch, dass sie die Kosten für das "Schwachwerden" erhöht. Man müsste ja raus in die Kälte und zur Tankstelle gehen.

© Veronika Job
© Veronika Job
Veronika Job ist Professorin für Motivationspsychologie an der Universität Wien. Ihre Forschung konzentriert sich auf Fragen der Selbstregulation und des Zielstrebens.

Das übergeordnete Ziel dieser Forschung ist es zu erforschen, wie es Menschen gelingt, ihre Handlungen so zu steuern, dass sie längerfristige Ziele erreichen, und warum sie dabei häufig scheitern.