Lebensmittelchemie

Umweltgifte in der Nahrung

29. Jänner 2025 von Hanna Möller
Pestizide, verunreinigte Lebensmittel oder Verpackungschemikalien – Schadstoffe aus Nahrung und Umwelt landen häufig auf unserem Teller. Wie sich das auf unsere Gesundheit auswirkt und wie Belastungen künftig reduziert werden können, erklärt Uni Wien-Lebensmittelchemiker Benedikt Warth im Video.

(Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2023 und wurde aktualisiert, Red)

Wir atmen Chemikalien aus der Umwelt ein, nehmen sie über die Haut auf oder verspeisen sie mit dem Mittagessen. Im Laufe unseres Lebens kommen wir so auf mindestens 10.000 bis 100.000 verschiedene Schad- und Fremdstoffe, erklärt Benedikt Warth vom Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie. Welchen Einfluss Kontaminanten in der Nahrung auf unsere Gesundheit haben, erforscht der Uni Wien-Wissenschafter in einem großangelegtem ERC-Projekt zum Exposom.

Save the date: Exposome Austria Symposium & Open Stakeholder Day 2025

Das Forschungsnetzwerk Exposome Austria lädt Forschende, Mediziner*innen und politische Entscheidungsträger*innen zum Symposium & Open Stakeholder Day. Der Dialog soll dazu beitragen, den Wandel von der „Reparaturmedizin“ hin zu einer proaktiven, präventiven und personalisierten Gesundheitsversorgung voranzutreiben.

Aus Exposure wird Exposom

Für den Forschungsgegenstand namensgebend ist das englische Wort "exposure" ("Belastung"); gemeint sind damit alle Umweltfaktoren, die auf unsere Gesundheit einwirken: Chemikalien in der Luft, im Wasser, in der Nahrung, aber auch die Stoffe, die unser Körper aufgrund verschiedener Einflüsse produziert. Der Begriff geht auf den bekannten Krebsforscher Chris Wild (zuletzt International Agency for Research on Cancer in Lyon) zurück. Er entdeckte den Zusammenhang zwischen bestimmten Schimmelpilzgiften und Leberkrebs und prägte die noch junge Exposomforschung.

Mittlerweile gehört das Exposom zu den Hot Topics der internationalen Wissenschaft. "Wir wissen inzwischen, dass die genetische Disposition in vielen Fällen nicht ausreicht, um die Ursachen, beispielsweise von Krebs und neurodegenerativen Krankheiten, zu erklären. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens zu erkranken, hängt durchschnittlich zu zwei Dritteln von Umweltfaktoren wie der Ernährung, dem Lebenswandel, aber auch der damit einhergehenden Chemikalienexposition ab", begründet Warth das gesteigerte Interesse am Exposom.

Ob im Essen, im Wasser oder in der Luft – täglich sind wir Tausenden von Fremdstoffen ausgesetzt. Doch welche davon sind wirklich gefährlich, und wie wirken sie zusammen? Das untersucht Lebensmittelchemiker und Exposomforscher Benedikt Warth. Im Video erklärt er, warum Lebensmittel heute sicherer sind als je zuvor und was dennoch in unserer eigenen Hand liegt. © Uni Wien/Kommunikation

Quantensprünge in der Massenspektrometrie

Zweifelsohne dazu beigetragen hat auch die technologische Entwicklung der letzten Jahre. "Mit unseren Methoden sind wir erstmals in der Lage, auch kleinste Konzentrationen von Chemikalien zu messen. Wenn Kontaminanten über Nahrung oder Wasser aufgenommen werden, können wir das in biologischen Proben – etwa Urin, Speichel oder Blut – nachweisen." Die modernen Massenspektrometer, die das ermöglichen, arbeiten im Erdgeschoss der Fakultät für Chemie auf Hochtouren. Neben der Universität Wien gibt es weltweit nur wenige weitere Labore, die so geringe Spuren von Chemikalien simultan messen können.

Ungeborene Kinder können bereits im Mutterleib verschiedensten Fremdstoffen ausgesetzt sein.
Benedikt Warth

Der Entstehung von Brustkrebs auf der Spur

Die cleveren Hightech-Instrumente unterstützen Warth und sein Team im aktuellen, vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekt dabei, mögliche chemische Trigger von Brustkrebs zu ermitteln. Dafür analysieren die Forscher*innen Proben von Frauen, die im Rahmen einer italienischen Longitudinalstudie Blut und Urin abgegeben haben. Einige der Frauen erkrankten im Laufe der Langzeituntersuchung an Brustkrebs, andere nicht. Die Proben sollen dem Team um Benedikt Warth Aufschluss darüber geben, ob bzw. welche chemischen Risikofaktoren, insbesondere hormonverändernde Fremdstoffe, bei der Entstehung der Krankheit beteiligt sind.

Bei den meisten Schadstoffen ist bekannt, wie sie als Einzelsubstanzen toxikologisch wirken – nicht aber im Zusammenspiel mit den vielen anderen Stoffen, die wir tagtäglich bewusst oder unbewusst aufnehmen. "Die Erforschung des Exposoms verrät uns, welche bis dato unbekannten kombinatorischen Effekte durch das Zusammentreffen von verschiedenen Fremdstoffen auftreten können", so Warth.

Lesetipp

Im Fachartikel "Understanding the Chemical Exposome During Fetal Development and Early Childhood" beschreiben Warth und seine Kolleg*innen die gesundheitlichen Auswirkungen des Exposoms in der pränatalen Phase und im frühen Kindesalter. Die Publikation erschien im renommierten Fachjournal "Annual Review of Pharmacology and Toxicology".

Schadstoffbelastung im Mutterleib

Normalerweise fungiert die Plazenta als Schutzbarriere gegen Bakterien, Viren und Fremdstoffe aus der Nahrung oder Medikamenten. Bei einer Studie mit Zearalenon – ein natürliches Schimmelpilzgift, das in Müsli oder Brot vorkommt und östrogenähnlich wirkt – konnten Warth und sein Team zeigen, dass die Plazentaschranke nicht für alle Schadstoffe funktioniert. "Unser Versuch zeigte erstmals einen Transfer des Umwelthormons durch den Mutterkuchen. Ungeborene Kinder können bereits im Mutterleib verschiedensten Fremdstoffen ausgesetzt sein." 

Das legt auch eine aktuelle Studie nahe, die in Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Kolleg*innen erstmals nachweisen konnte, dass sich bedeutende Schimmelpilztoxine, darunter auch Zearalenon, in Urin und Blutserum Schwangerer nachweisen lassen. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überwachung von Mykotoxinen bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie schwangeren Frauen und ungeborenen Kindern.

Zusammen mit der MedUni Wien – Kooperationspartner im Netzwerk Exposome Austria, das von Benedikt Warth geleitet wird – möchte der Lebensmittelchemiker die Untersuchung weiter vorantreiben und ein großangelegtes Human Biomonitoring in Österreich mitanstoßen. Die Vision: Frauen geben bereits während der Schwangerschaft biologische Proben ab und dem Neugeborenen wird in den Folgejahren regelmäßig Blut oder Urin entnommen. "Eine Erhebung von Exposition und Effekt über Generationen hinweg würde uns ganz neue Möglichkeiten geben, die Auswirkungen von Fremd- und Schadstoffen auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes zu untersuchen", so Warth.

Aktuell liegt der Fokus unseres Gesundheitswesens primär darauf, kranke Menschen zu therapieren anstatt alles zu tun, damit man möglichst lange gesund altern kann.
Benedikt Warth

Von der "Reparaturmedizin" zur personalisierten Prävention

Die Untersuchungsergebnisse sollen bei gesundheits- und umweltpolitischen Fragestellungen und künftigen Risikobewertungen von Chemikalien berücksichtigt werden. "Mit unserer Forschung wollen wir herausfinden, welche Einflüsse die wirklich kritischen sind und so dazu beitragen, dass deren Belastung vermindert werden kann. Das wäre ein großer Schritt in Richtung Prävention", so die Vision des Wissenschafters.

"Aktuell liegt der Fokus unseres Gesundheitswesens primär darauf, kranke Menschen zu therapieren anstatt alles zu tun, damit man möglichst lange gesund altern kann. Wir arbeiten daher daran die Kapazitäten zu schaffen, damit in Österreich umfassende präventive Monitoringprogramme, beispielsweise während der Schwangerschaft, bald Realität werden können." (hm)

Sujet des Forschungsverbunds Umwelt und Klima eine Illustration einer Hand, die einen von Vögeln umgebenen Baum hält

Forschungsverbund Umwelt und Klima

Benedikt Warth ist Mitglied des Forschungsverbunds Umwelt und Klima der Universität Wien (ECH), ein Netzwerk von Forscher*innen aus allen Disziplinen, die sich mit den Themen Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit beschäftigen. Mehr Infos zum Forschungsverbund

© Global Exposomics and Biomonitoring Labor
© Global Exposomics and Biomonitoring Labor
Benedikt Warth ist Universitätsprofessor und stellvertretender Institutsvorstand am Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien wo er das "Global Exposomics and Biomonitoring Labor" seit 2017 leitet.

Nach seinem Studium in Wien und Schweden verschlug es ihn als Erwin Schrödinger Fellow an das renommierte Scripps Research Institute in Kalifornien. Warth koordiniert die ESFRI-Forschungsinfrastruktur "Exposome Austria" und leitet seit 2023 das ERC-Projekt "EXPOMET".

Mehr über das Netzwerk Exposome Austria

Die Exposome Austria Forschungsinfrastruktur wird von der Fakultät für Chemie der Universität Wien koordiniert. Mit den Medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck sowie dem Umweltbundesamt als Partner ist die Exzellenzforschungsinfrastruktur Teil der europäischen Forschungsinitiative EIRENE (Environmental Exposure Assessment in Europe). "So können wir die innovativen Methoden an der Universität Wien langfristig konservieren und anderen interessierten Forscher*Innen als Service zur Verfügung stellen", freut sich Benedikt Warth, Leiter von Exposome Austria. Mehr zu Exposome Austria