Vögel und Fledermäuse sichern die Kakaoernte
Kaum eine Art wird so missverstanden wie die Kakaopflanze. Um möglichst viele der wertvollen Bohnen ernten zu können, werden Kakaobäume oftmals in Reih und Glied auf Plantagen ausgesetzt. Der Ertrag schnellt in die Höhe, die Pflanzen gedeihen prächtig – um kurz darauf kümmerlich einzugehen. Hinter der vollen Blüte versteckt sich ein letztes Aufbäumen: Die schattenliebende Art, die aus dem Unterwuchs des Amazonasregenwalds stammt, steht in der Monokultur unter Stress und produziert vermehrt Früchte, um das genetische Fortbestehen zu sichern. Was in Fachkreisen als "Boom and Bust Cycle" bekannt ist, ist das tägliche Geschäft großer Produktionsfirmen, die den intensiven Anbau immer weiter ausbauen.
Dass ein alternativer Anbau im Kakaobusiness möglich ist – und zwar schonend und nachhaltig, sodass die Ressourcen auch für nachkommende Generationen erhalten bleiben – zeigt Uni Wien-Biodiversitätsforscherin Bea Maas mit Forschungsdaten: "Es gibt auch eine andere Story für den Kakao: mit vielen Schattenbäumen, mit ökologischer Schädlingskontrolle von Vögeln und Fledermäusen und mit Erträgen, die – und das ist der springende Punkt – über viele Jahrzehnte hoch und qualitativ top sein können."
Vögel und Fledermäuse leisten "Milliardenservice"
Bea Maas beschäftigte sich bereits als Diplomandin mit der bitter-süßen Bohne und verbrachte für verschiedene Projekte insgesamt sieben Jahre in Indonesien. Mit Naturschutzfragen im Blick erforschte sie das Zusammenspiel von Tier und Pflanze im Kakaoanbau und schaffte es damit in die Top-Journals ihres Fachgebietes.
Mit sogenannten "Ausschlussexperimenten" ließ sie ein trauriges Szenario Wirklichkeit werden, das mit dem akuten Artensterben bedrohlich näher rückt: eine Welt ohne Vögel und Fledermäuse. Dazu umspannten die Forscher*innen zunächst 120 und später 240 Kakaopflanzen mit engmaschigen Netzen, um die Kleintiere abzuschirmen. Die Fledermäuse und Vögel servicierten die umliegenden Vergleichspflanzen und fraßen die lästigen Schädlinge. Das Ergebnis: Die Vergleichspflanzen hatten einen rund 30 Prozent höheren Ertrag als die "isolierten". Übersetzt in US-Dollar ergeben sich bei dem cash crop Kakao daraus Unterschiede in Milliardenhöhe, gibt Maas zu bedenken.
In ihrem aktuellen FWF-Projekt ECO-CACAO schließt die deutsch-amerikanische Wissenschafterin an diese Ergebnisse an und möchte Alternativen für Peru aufzeigen, im Ursprungsgebiet des Kakaos. Auch hier kommen wieder Ausschlussexperimente zum Einsatz, "eine simple und daher geniale Methode". Bea Maas hat diese entscheidend weiterentwickelt und steht mittlerweile Wissenschaftskolleg*innen weltweit zur Seite, die mit der Artenabschirmung experimentieren. "Tier-Pflanze-Interaktionen dieser Art können wir nicht im Labor erforschen, dafür müssen wir ins Feld. Und da das System Regenwald sehr variabel ist, müssen die Messungen über mehrere Monate und manchmal sogar Jahre durchgeführt werden, um aussagekräftige Ergebnisse für Naturschutz und Management zu erhalten."
Schüler*innen für den Schutz von Vögeln und Fledermäusen begeistern
Das Wissenschaftskommunikationsprojekt SOUNDS WILD ermöglicht Schulklassen aller Altersstufen in ganz Österreich die kostenlose Teilnahme an Workshops zum Vogel- und Fledermausschutz, bietet Kreativwettbewerbe an und erforscht die Perspektiven des Naturschutzes durch wissenschaftliche Umfragen. "Unser Ziel ist es, nicht nur Wissen und Verständnis zum Thema Naturschutz zu fördern, sondern auch aktiv von den jungen Zielgruppen zu lernen", so Projektleiterin Bea Maas.
Kakaoanbau: Expertise vor Ort nutzen
Diese Ergebnisse können wir nur gemeinsam mit den Expert*innen vor Ort generieren, die den Kakao bewirtschaften und das Anbaugebiet im Amazonas kennen, meint Bea Maas. 70 bis 80 Prozent der weltweiten Landwirtschaftsfläche wird von Kleinbäuer*innen bestellt. Um etwas in der Landnutzung verändern zu können, ist ihre Perspektive wichtig. Die peruanischen Kolleg*innen sind daher in Forschungsdesign und Durchführung stark eingebunden. Konkret möchte das Expert*innenteam herausfinden, welche Arten der Kakaopflanze guttun, sowie Maßnahmen entwickeln, um es diesen Arten besonders "leicht" zu machen – zum Beispiel durch zusätzliche Quartiere und Nistplätze.
Altes Wissen neu denken
"Unsere Ergebnisse sind für die erfahrenen Bäuerinnen und Bauern aus dem peruanischen Amazonas oftmals nicht überraschend – doch wir müssen dieses alte Wissen bewahren, neu denken und auf die moderne Landnutzung umlegen, plädiert Maas: "Es ist längst Zeit für eine nachhaltige Landnutzung – die Uhr tickt immer lauter!" (hm)
- Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Fakultät für Lebenswissenschaften
- Website von Bea Maas
- Website des Projekts "Sounds wild"
- Website des Projekts ECO-CACAO
- Website des Projekts ECO-OLIVES
- Artikel über das Projekt ECO-OLIVES in "DerStandard"
- Elise Richter-Stelleninhaberinnen (FWF)