Was wir aus der Pandemie lernen können

Corona: Die Macht der Bilder

22. Februar 2022 von Theresa Dirtl
Die Corona-Pandemie hat weitreichende soziale, wirtschaftliche und psychische Folgen für Menschen. Gemeinsam mit der Med Uni Wien erforscht die Kulturwissenschafterin Monika Pietrzak-Franger die komplexen Zusammenhänge in diesem Kontext.
Welche Narrative und Bilder Medien rund um die Pandemie aufgreifen und weitertragen, das untersucht die Kulturwissenschafterin Monika Pietrzak-Franger. © Pixabay/fotografiekb

Am Beginn der Pandemie stand die sogenannte Schuldfrage im Raum: Wer hat die Pandemie zu uns gebracht? "In den britischen Medien gab es deutliche Versuche, dem asiatischen Raum die Schuld zu geben und das auf eine unschöne Art und Weise, so wurden z.B. Fotos von Hundekadavern gezeigt", sagt die Kulturwissenschafterin Monika Pietrzak-Franger von der Uni Wien. Das führte in Großbritannien zum Beispiel öfters zu Gewalt gegenüber asiatisch aussehenden Personen. "Diese Art der Berichterstattung gab es in Österreich so nicht. Hier war es ausdifferenzierter. In beiden Ländern erreichte die Debatte jedoch sehr schnell ein politisches Niveau: China wurde als ein Land dargestellt, das uns kulturell bedroht."

Im Zentrum des Forschungsprojekts von Pietrzak-Franger steht die Gesundheitskompetenz. Damit ganz eng verknüpft ist die Medienkompetenz: "Wie werden Medienberichte wahrgenommen und welche Reaktionen rufen sie hervor? Wie wird über Corona gesprochen, welche Narrative und Bilder greifen Medien auf und tragen sie weiter – und wie werden diese wiederum aufgenommen?" Das untersucht Pietrzak-Franger vom Institut für Anglistik und Amerikanistik im Projekt "Post-Covid Care: Translational Health Economics and Medical Humanities at the Frontlines" gemeinsam mit ihrem Team an der Uni Wien.

Populärmedien im Umgang mit Corona im Vergleich

Dabei vergleicht sie Österreich und Großbritannien, da die beiden Länder sehr unterschiedlich mit der Pandemie umgehen, verschiedene Gesundheitssysteme haben und sich auch in ihren Zugangsweisen zur chinesischen Kultur unterscheiden. "So können wir Aussagen treffen, welche Faktoren universal und welche tatsächlich kulturspezifisch sind." Eine erste Medienanalyse der "Kronen Zeitung" in Österreich und der "Daily Mail" in Großbritannien hat das Team bereits durchgeführt und daraus interessante Erkenntnisse gewonnen.

Kooperation mit der Medizinökonomie

Diese Medienanalysen werden im Laufe des Projekts auf weitere Medien ausgeweitet und über einen Zeitraum von rund zwei Jahren – von 2020 bis 2022 – analysiert. Basierend darauf sind sowohl in Österreich als auch Großbritannien Interviews geplant: "Ausgehend von unseren Medienanalysen werden wir Interviews mit Patient*innen und Gesundheitspersonal führen. Eine der Fragen, die uns dabei interessiert ist natürlich, welche medialen Narrative aufgegriffen werden und welche neu konstruiert werden."

Insgesamt setzt sich das Projekt aus sechs kleineren Teilbereichen zusammen, die alle miteinander verknüpft sind. So ist die oben beschriebene Analyse von Mediennarrativen ein Bereich, ein anderer beschäftigt sich mit Affekten und Emotionen, die Berichte – auch in sozialen Medien – auslösen. Die Wissenschafterinnen der Med Uni stellen wiederum die Fragen nach psychischen Auswirkungen der Pandemie und wie diese mit Diskriminierung und Schuldzuweisungen zusammenhängen und sich auch in der Gesundheitsversorgung wiederspiegeln.

Überfluss und Panikmache in der Pandemie

"Die letzte und höchste Projektebene betrifft aus medizinökonomischer Sicht die ökonomischen Auswirkungen und aus unserer Sicht den Zusammenhang zwischen Medienkompetenz und ökonomischen Auswirkungen", fasst Pietrzak-Franger zusammen: "Gerade der Überfluss an Bildern und Informationen hat zur Panikmache geführt. Ein Beispiel dafür ist die Farbwahl der John Hopkins Karte, die im intensiven Rot geleuchtet hat. All das hat Auswirkungen darauf, wie Menschen reagieren. Und viele hatten Angst. Es ist nachgewiesen worden, dass Angst uns dazu bringt, bestimmte Gesundheitsvorsorgemöglichkeiten nicht mehr wahrzunehmen."

Erarbeitung von Medien- und Gesundheitskompetenzen

Ein Projektziel ist es, die gewonnenen Erkenntnisse auf Handlungsmöglichkeiten zu übertragen. "Gerade im englischsprachigen Raum gibt es in punkto Medien- und Gesundheitskompetenz viele Richtlinien, wie man damit umgehen soll. Solche Richtlinien möchten wir auch für Österreich ausarbeiten", sagt die Projektleiterin: "Um die Medien- und Gesundheitskompetenz zu stärken, planen wir zum Beispiel Workshops mit unterschiedlichen Zielgruppen, u.a. mit Schüler*innen und zukünftigem Gesundheitspersonal."

Plädoyer für die Geisteswissenschaften

Abschließend betont Monika Pietrzak-Franger, dass Geisteswissenschafter*innen in den Diskussionen rund um die Pandemie öfter zu Wort kommen sollten: "Wir können Menschen die richtigen Instrumente in die Hand geben, damit sie sich selbst einen Überblick in der medialen Welt verschaffen und lernen, reflektiert damit umzugehen. Gerade in Zeiten der unglaublichen Bombardierung mit visuellen Mitteln ist das sehr wichtig." (td)

© Andreas Kayales/ Beautypictures
© Andreas Kayales/ Beautypictures
Monika Pietrzak-Franger hat seit 2019 die Professur für Anglistische Kultur- und Literaturwissenschaft am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien inne. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Medical Humanities, Literature and Science, Adaption und Transmedialität. Aktuell leitet sie das Forschungsprojekt "Post-Covid Care: Translational Health Economics and Medical Humanities at the Frontlines", das in Kooperation mit der Med Uni Wien von 2020 bis Ende 2023 läuft.