WasserCluster Lunz: Tradition trifft moderne Forschung am See
Der Lunzer See, das "Meer der Lunzer", ist der einzige natürliche See Niederösterreichs. Hier sind an sonnigen Tagen in der schönen Jahreszeit nicht nur Erholungsuchende und Badegäste anzutreffen, sondern auch gummigestiefelte Studierende und Wissenschafter*innen aus aller Welt: Direkt am See liegt ein gemeinsames Forschungsszentrum der Universität Wien, der BOKU Wien und der Universität für Weiterbildung Krems, der WasserCluster Lunz.
Wir treffen dort heute Katrin Attermeyer von der Uni Wien, die Leiterin der Forschungsgruppe Carbocrobe – insgesamt gibt es fünf spezialisierte Arbeitsgruppen am Zentrum, die sich verschiedenen Aspekten der aquatischen Ökosystemforschung verschrieben haben. Während wir am institutseigenen Steg im Schatten sitzen und den wunderschönen Blick über den See genießen, erzählt sie von der Arbeit ihres Teams. "Wir verwenden Methoden aus Mikrobiologie und Biogeochemie, um zu untersuchen, wie Mikroorganismen in Gewässern Kohlenstoff verarbeiten. Das ist wichtig um zu verstehen, welche Rolle diese Kleinstlebewesen in den globalen Kreisläufen von Kohlenstoff und anderen Nährstoffen spielen. Und dafür ist der Standort hier perfekt."
Forschung seit über 100 Jahren
Uns gegenüber befindet sich das Seebad Lunz am See, und wir beobachten die vielen Badegäste, die sich im kühlen Nass tummeln. "Wir untersuchen hier am WasserCluster auch den Einfluss der Menschen auf Gewässer, wie etwa die Auswirkungen von intensivem Baden, das Vorkommen von Mikroplastik, aber auch Einflüsse durch die Landwirtschaft", ergänzt die Mikrobiologin und erklärt, warum der Standort wissenschaftlich so interessant ist: "In Lunz treffen sich Tradition und Moderne: Hier wird schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts ökologische Forschung betrieben. Wir können also auf Messdaten aus über hundert Jahren zurückgreifen, etwa zum Verlauf der Wassertemperatur."
Der WasserCluster Lunz und seine Geschichte
- 1905 gründete der österreichische Jurist und Förderer der Naturwissenschaften Carl Kupelwieser die "Biologische Station Lunz (BSL)" auf dem Gelände des Schlosses Seehof.
- 2003 riefen Bund, Land Niederösterreich und die drei Trägeruniversitäten aufgrund der Schließung der Biologischen Station durch die ÖAW den WasserCluster Lunz ins Leben.
- 2007 wurde der WCL an seinem heutigen Standort direkt am See, einem umgebauten ehemaligen Ferienheim, neu eröffnet; seit 2011 beherbergt auch die ursprüngliche Biologische Station wieder zwei Forschungsgruppen.
- Heute arbeiten die Forscher*innen des WasserCluster Lunz auf internationalem Top-Niveau an brisanten Fragen der aquatischen Ökosystemforschung.
- Seit Gründung des WCL haben hier Wissenschafter*innen aus über 35 Ländern und allen Kontinenten geforscht. Übrigens: Wer nach Lunz kommt, um zu forschen, bleibt im Durchschnitt ein bis vier Jahre hier.
Forschung zu Wasser und zu Land
Heute sammeln die Forscher*innen mit einer Messinsel im See und einer Messstation am Oberen Seebach rund um die Uhr Daten zur Physik, Chemie und Biologie der Gewässer. Feldforschungen zu spezifischen Fragestellungen finden meistens im Sommer statt, da sich dann ökologisch am meisten tut. Doch warum ist die Arbeit im Feld wichtig? "Natürlich können wir die Mikroorganismen auch ins Labor holen und dort unter kontrollierten Bedingungen Faktoren verändern, doch wir möchten auch wissen, wie es draußen in der Natur aussieht", erklärt Attermeyer.
Arten von Feldversuchen gibt es viele verschiedene, doch jeder beginnt damit, dass die Forscher*innen zunächst eine Frage stellen. Zum Beispiel, wie sich Kohlenstoffdioxid im Wasser verhält, eine Frage, die das Team um Attermeyer aktuell beschäftigt. "Um sie zu beantworten, bringen wir in den Bächen rund um Lunz am See spezielle Kammern aus, die jeweils 24 bis 48 Stunden lang die CO2-Konzentration im Wasser und in der Luft messen. Diese Kammern sind mit autarken, also selbständig arbeitenden Sensoren und Loggern ausgestattet. So können wir die Tag-Nacht-Schwankungen beobachten und müssen nicht die Nacht zum Tag machen und immer vor Ort sein."
Plastikmüll im Badesee
Aktuell sind Katrin Attermeyer und internationale Kolleg*innen im Rahmen einer umfangreichen Studie zur Mikroplastik-Belastung von Süßgewässern zu einer ernüchternden Erkenntnis gelangt: In einigen Seen wie dem Lago Maggiore in Italien oder dem Lake Tahoe in den USA findet sich mehr Mikroplastik als im weltweit am stärksten verschmutzten subtropischen Ozean. Plastikmüll wurde in allen beprobten Seen gefunden – der Lunzer See ist mit unter 1 Plastikpartikel pro m3 zum Glück noch wenig kontaminiert.
Tipps zum umweltschonenden Seevergnügen:
- Nur umweltfreundliche Sonnencreme verwenden
- Sonnencreme nicht direkt vor dem Baden auftragen; alternativ kann im Wasser auch Badebekleidung mit UV-Schutz getragen werden
- Vermeidung von Plastikmüll, Verwendung von wiederbefüllbaren Flaschen
- Rücksicht auf Schutzzonen, im ausgewiesenen Badebereich bleiben
Zwischen Freiland und Labor
Der WasserCluster verfügt neben den Labors am Hauptstandort, die wir gleich gemeinsam mit Katrin Attermeyer besichtigen dürfen, auch über eine Vielzahl an experimentellen Außenanlagen, sogenannten "Mesokosmen". Das sind teilgeschlossene experimentelle Anlagen im Freiland zur Simulation biologischer, chemischer oder physikalischer Prozesse.
"Sie stellen eine methodische Brücke zwischen Laborexperimenten und Freilandbeobachtungen dar", erklärt die Forscherin, die neben österreichischen Gewässern auch schon Bäche und Seen in Norddeutschland, in Indien und in Schweden beprobt und erforscht hat: "Wir haben hier in Lunz einerseits Mesokosmen, die stehende Gewässer wie Teiche und Seen simulieren, und andererseits spezielle Rinnen, die Bäche, also fließende Gewässer, nachahmen."
Untersucht werden die Proben aus Freiland oder Mesokosmos schließlich in den Labors im Hauptgebäude, die mit den verschiedensten Messgeräten ausgestattet sind. So kann mit einer Kombination aus Fotometer und Fluorometer die Qualität des organischen Materials bestimmt oder mit stabilen Isotopen die Herkunft des Wassers analysiert werden.
Als wir die Klimakammer besuchen, hat es darin nur 12°C und zwei Studierende, gut eingepackt in dicke Pullover und Jacken, sind gerade dabei, den Blattabbau durch Mikroorganismen zu analysieren. "Wir simulieren hier die Bedingungen des Bachs und beobachten Köcherfliegenlarven, während sie Blätter zersetzen. Zusätzlich schauen wir uns an, was sich dabei verändert, wenn die Wassertemperatur des Baches steigt", erklärt Katrin Attermeyer.
Wissenschaftsvermittlung am See
Wir sind froh, die Kälte der Kammer wieder verlassen zu können und gehen in den ersten Stock des Gebäudes, wo sich die Büros der Wissenschafter*innen befinden. Hier treffen wir Gabriele Weigelhofer, Prokuristin für wissenschaftliche Belange am WasserCluster und Gewässerökologin an der BOKU Wien, um mehr über den Austausch mit der Bevölkerung zu erfahren. Citizen Science wird am Zentrum groß geschrieben: "Durch die Einbindung der Öffentlichkeit in unsere Forschungsarbeit nützen wir das lokale Wissen der Bevölkerung über die Untersuchungsgewässer und fördern das Verständnis für unsere Forschung", erklärt Weigelhofer.
So werden z.B. regelmäßig Forschungsprojekte in Kooperation mit Bildungseinrichtungen durchgeführt: "Dabei gehen wir in die Schulen, oder die Schüler*innen kommen zu uns, um gemeinsam mit uns Daten zu erheben. Auf diese Weise haben wir bereits Versuche zur Selbstreinigung von Gewässern und zur Treibhausgasproduktion in Auen durchgeführt. Derzeit analysieren wir in Klimasimulationen, ob die Erwärmung von Gewässern zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führen kann."
Ausflugstipp: BioGeocaching rund um den Lunzer See
Eine moderne Schnitzeljagd mit biologisch-wissenschaftlichem Hintergrund: An zwölf Stationen rund um den Lunzer See erhalten Besucher*innen spannende Infos zu den Themen Süßwasser, Klimawandel und Biodiversität sowie zur Forschung am WasserCluster Lunz. Wer alle Rätsel richtig gelöst hat, findet am Ende das Versteck des Seemaskottchens "Lunzi" und eine kleine Überraschung. Alle Infos zum Themenweg "Biogeocaching - Finde Lunzi"
Für angehende Maturant*innen gibt es ein besonderes Angebot: Sie können ihre vorwissenschaftliche Arbeit am WasserCluster durchführen. Dazu bekommen sie eine klar abgegrenzte Fragestellung und sind eine Woche bis vier Wochen vor Ort, um ihre Arbeit durchzuführen. Zudem ist der WasserCluster bei der Langen Nacht der Forschung und dem Forschungsfest Niederösterreich aktiv und veranstaltet alle zwei Jahre einen Tag der Offenen Tür.
Hier endet nun unser Rudolphina Roadtrip zum WasserCluster Lunz – ein perfekter Standort für die limnologische Forschung, mit wunderbaren Arbeitsbedingungen am klaren Lunzer See. Für uns heißt es nun: Kopfsprung in einen der kältesten Seen Niederösterreichs und dann weiter zur nächsten Station unserer Rundreise – eins können wir schon mal verraten: Wir werden dort nicht nur intelligente Wissenschafter*innen, sondern auch intelligente Tiere treffen!
Rudolphina Roadtrip: Anreise zum WasserCluster Lunz
- Von Wien Hauptbahnhof starten wir mit dem Railjet nach Amstetten; von dort geht es mit dem Bus 665 nach Scheibbs. Umsteigen in den Regionalbus 655 nach Lunz am See, von dort sind es ca. 20 Minuten zu Fuß zum See mit Blick auf das Forschungszentrum WasserCluster Lunz.
- Die Gegend um den Lunzer See ist auch perfekt für Radtouren geeignet. Mehr Infos über die besten Touren für jedes Level hier. Besonders empfehlenswert ist die wildromantische (und relativ flache) Route nach Lunz von Waidhofen an der Ybbs.
- Beim Themenweg "Finde Lunzi" rund um den Lunzer See erfahren Sie im Rahmen einer spannenden BioGeochaching-Schatzsuche mehr über die Forschung des WasserClusters.
- Die nächste Gelegenheit, die Wissenschafter*innen des WasserClusters und ihre Forschung persönlich kennen zu lernen, bietet sich beim Forschungsfest Niederösterreich am 22. September 2023 im Palais Niederösterreich.
Für ihren PhD in Norddeutschland untersuchte sie den mikrobiellen Kohlenstoffumsatz in flachen Seen, danach ging es als Postdoc nach Indien und nach Schweden, wo sie Treibhausgasemissionen von Teichen bzw. partikulären Kohlenstoff in borealen Gewässern analysierte. Mit ihrer Forschung will sie zu einem besseren Verständnis der Rolle von Mikroorganismen beim Kreislauf von Kohlenstoff und anderen Nährstoffen in Gewässern beitragen.
Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Nährstoffumsatz von Biofilm zu Fließgewässerebene, Resistenz und Resilienz von Biofilmprozessen gegenüber Klimawandel und Landnutzung und partizipativer Umweltforschung.