Medikamente und Mikrobiom

Parkinson-Medikament stört Mikrobiom im Darm

21. November 2024
Dass Antibiotika unser Darmmikrobiom schädigen können, ist den meisten Menschen bewusst. Neu hingegen ist, dass auch ein gängiges Parkinson-Medikament die Darmflora verändert, indem es zu Eisenmangel im Darm führt. Der Mikrobiologe Michael Wagner erklärt im Video die Ergebnisse einer aktuellen Studie.
Unser Darmmikrobiom spielt eine zentrale Rolle für unsere Gesundheit und beeinflusst, wie gut Medikamente wirken oder welche Nebenwirkungen auftreten. Mikrobiologe Wagner erklärt im Video die zentralen Ergebnisse seiner aktuellen Studie und warum ein besseres Verständnis dieser Interaktionen den Weg in Richtung personalisierter Medizin ebnet. © Universität Wien/DLE Komm

Während bereits seit längerem bekannt ist, dass Antibiotika das menschliche Darmmikrobiom erheblich stören, zeigen neuere Forschungen, dass auch eine Vielzahl anderer Medikamente – insbesondere solche zur Behandlung neurologischer Erkrankungen – die mikrobiellen Gemeinschaften in unserem Körper stark beeinflussen können. Zusätzlich zu ihren therapeutischen Effekten auf verschiedene Organe bringen diese Wirkstoffe ungewollt die Darmmikroben aus dem Gleichgewicht, was gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Medikament und Mikroben besser zu verstehen, nutzte das internationale Forschungsteam, unter Beteiligung von Wissenschafter*innen der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der University of Southampton, der Aalborg University und der Boston University, einen innovativen experimentellen Ansatz: Sie untersuchten die Wirkung von zwei Medikamenten – dem Parkinsonmedikament Entacapon und Loxapin, einem Medikament zur Behandlung von Schizophrenie – auf Stuhlproben gesunder menschlicher Spender. Mithilfe modernster molekularer und bildgebender Techniken analysierten die Wissenschafter*innen die Auswirkungen auf die mikrobiellen Gemeinschaften.

Chemische Bildgebung aktiver Darmmikroben
Chemische Bildgebung aktiver Darmmikroben. Verschiedene chemische Bindungen werden in der Stuhlprobe in Gelb und Grün dargestellt, ihr Verhältnis in Gelb-Lila. Anhand der Menge an Bindungen kann die Aktivität der Mikroben bestimmt werden. © Xiaowei Ge (Universität Boston)
Lesen Sie auch
Mikrobiom und Gesundheit
Die mikrobielle Gemeinschaft, die wir in uns tragen, ist so individuell wie wichtig für unsere Gesundheit. Mikrobiologe David Berry erforscht, was sie gefährdet, was sie heilt und wie sie mit der Außenwelt interagiert.

Eisenmangel durch Medikamenteneinnahme

Die Auswirkungen waren noch deutlicher als erwartet: Rund ein Drittel der Darmmikroben veränderte sich durch die Medikamentengabe. "Ein Parkinsonmedikament verändert also massiv die Zusammensetzung und Aktivität der Mikrobengemeinschaft im menschlichen Darm. Die Gabe dieses Medikaments führt zu Eisenmangel und begünstigt bestimmte schädliche Bakterien", so Michael Wagner, wissenschaftlicher Direktor des FWF-geförderten Exzellenzclusters "Mikrobiomes drive Planetary Health" und Mitautor der Studie.

Diese Entdeckung hat weitreichende Folgen für das Verständnis, wie auch andere Medikamente das Darmmikrobiom beeinflussen könnten und bietet zudem die Möglichkeit, Nebenwirkungen dieser Arzneien zu mildern, indem eine ausreichende Eisenverfügbarkeit im Dickdarm sichergestellt wird.

Indem wir jetzt besser verstehen, wie Medikamente mit dem humanen Darmmikrobiom interagieren, können wir in Zukunft einen Schritt in Richtung personalisierte Medizin machen.
Michael Wagner

Alle Infos zur Studie

© Ludwig Schedl
© Ludwig Schedl
Michael Wagner ist Professor am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften (CeMESS) der Universität Wien, dem er als Gründungsdirektor vorstand und dessen stellvertretender Leiter er heute ist.

Der mittlerweile mehrfach ausgezeichnete Mikrobiologe (darunter ERC-, Schrödinger- und Wittgenstein-Preis) leitet den Exzellenzcluster "Microbiomes drive Planetary Health". Er bezeichnet sich selbst als "Spätzünder", dessen Interesse an mikrobiologischen Themen erst im Studium gereift ist – dann aber so richtig. Ob Familie, Punkmusik, oder Mikrobiologie: Alles was er macht, geschieht mit voller Leidenschaft. Dass er rund um die Uhr im Einsatz ist, stört ihn daher wenig. Zu Beginn der Pandemie hat er seine Garage kurzerhand in ein Home-Office verwandelt, wo er manchmal auch zu nächtlichen Stunden über wissenschaftlichen Papers brütet. Auf Bluesky ist er unter @michiwagner4.bsky.social zu finden.