Tropenstation La Gamba: Willkommen im Dschungel
... 10.000 Kilometer weit weg von Wien, im Südwesten Costa Ricas: Hier, nahe der Pazifikküste in der Provinz Puntarenas, liegt die Tropenstation La Gamba der Universität Wien. Im "Regenwald der Österreicher" sind die Bedingungen perfekt, um Forschung mit Naturschutz und Arterhalt zu verbinden: Es ist einer der artenreichsten Tieflandregenwälder Mittelamerikas. Wir begleiten den Jungforscher Florian Etl bei seiner Arbeit mit Aronstabgewächsen und ihren Bestäubern und fragen den La Gamba-Pionier Werner Huber nach den wilden Anfängen der Tropenstation.
Heiße Tage, Kühle Nächte
Wer in La Gamba etwas vom Tag haben will, muss früh aufstehen. Die Tropennächte sind angenehm, wenn auch etwas schwül, aber ab neun Uhr wird es schnell heiß. Florian Etl ist deshalb meistens schon um vier Uhr früh auf den Beinen. Im Stockdunkeln schleicht er sich zu einem nachtblühenden Aronstabgewächs, das mit seinem speziellen Duft Bestäuber anlockt. Die Luft um ihn herum ist erfüllt mit den Geräuschen der nachtaktiven Regenwaldbewohner.
Wenn der Tag dann gegen fünf Uhr anbricht, kann man das nicht nur sehen, sondern auch hören und riechen, denn die Geräusch- und Geruchskulisse verändert sich schlagartig. Die nachtblühenden Gewächse, wie Philodendron rhodoaxis, Anthurium acutangulum oder Dieffenbachia aurantiaca schließen ihre Blüten, und Syngonium hastiferum und Monstera adansonii, die ihren Duft nur bei Tag verströmen, nehmen Überhand.
Von der Wellblechhütte zur Forschungsstation
Auch Werner Huber, der die Station zusammen mit Anton Weissenhofer leitet – wenn sie nicht in Costa Rica sind, forschen beide am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien –, steht in La Gamba schon früh auf. Allerdings wartet auf ihn inzwischen meistens Büroarbeit, wenn er nicht gerade eine Gruppe Studierender auf eine Exkursion begleitet.
Das war 1993 noch anders, als er und Anton Weissenhofer als Diplomstudenten das erste Mal in den Tieflanddschungel nahe des Golfo Dulce aufbrachen. Der österreichische Musiker Michael Schnitzler hatte damals gerade das Projekt "Regenwald der Österreicher" gestartet und begonnen, mit Spendengeldern Waldflächen aufzukaufen; in diesem Zusammenhang wurde auch die Tropenstation und ein Verein zu ihrer Förderung gegründet. Das ist heute 30 Jahre her und wird mit einer Jubiläums-Fotoausstellung im Botanischen Garten der Uni Wien und vielen anderen Events gefeiert.
Schon früh entstand die Idee, dass dieses geschützte Stück Land nicht nur dem Naturschutz, sondern auch der Forschung zugutekommen soll, und die Kooperation mit der Uni Wien war geboren. Die Finca, in der Weissenhofer und Huber vor dreißig Jahren unterkamen, war zu dieser Zeit nicht mehr als eine Wellblechhütte. "Damals haben wir beide ein halbes Jahr gebraucht, um die Pflanzenarten in einem Hektar Regenwald zu erfassen, und ein weiteres Jahr in Österreich, um diese dann zu bestimmen", erinnert sich Huber.
Der unglaubliche Artenreichtum, der im Zuge dieser Arbeit zum Vorschein kam (siehe Infobox), lockt heute jedes Jahr Dutzende Forscher*innen aus aller Welt nach La Gamba, denn die Tropenstation ist für eine europäische Universität einzigartig.
Artenreichtum und Renaturierung
Naturschutz und Wissenschaft gehen im Regenwald der Österreicher Hand in Hand. Huber und Weissenhofer fanden bei ihrer Pionierarbeit in La Gamba über 135 Pflanzenarten in nur einem Hektar Wald. Zum Vergleich: In ganz Europa gibt es etwa 50 Baumarten insgesamt. Der Verein "Regenwald der Österreicher" kauft nicht nur Regenwald, sondern auch ehemalige Brachflächen und renaturiert diese gemeinsam mit der ansässigen Bevölkerung.
So wird etwa im Zuge des Naturschutzprojektes "Biologischer Korridor La Gamba (COBIGA)" versucht, eine Waldbrücke zwischen dem Tieflandregenwald um La Gamba und dem Bergregenwald im Landesinneren zu bauen. Die Ergebnisse sind bereits heute sichtbar: "Wir haben vor etwa acht Jahren auf einer ehemaligen Weide 16 Hektar Wald angebaut, der ist heute mehr als zehn Meter hoch". Im Korridor wurde auch die "Finca Modelo" eingerichtet, eine Lehrfarm, in der mit der einheimischen Bevölkerung die Wiederbewaldung vorangetrieben wird, etwa indem Baumarten auf ihre Wachstumsbedingungen getestet werden. Die Projekte werden großteils von Studierenden und Forschenden wissenschaftlich begleitet.
Heute interessieren sich die Wissenschafter*innen vor allem für die komplexen Zusammenhänge dieses Ökosystems, etwa das Wechselspiel zwischen Blüten und ihren Bestäubern, Ameisen und ihren Nestbäumen oder für den CO2-Haushalt mit Blick auf das Weltklima. Im Fokus stehen auch die angrenzenden, wiederbewaldeten Agrarflächen. Hier wird daran geforscht, unter welchen Bedingungen sich Arten in den neuen Wäldern ansiedeln, ob und wie sie dauerhaft bleiben und wie sich das Zusammenspiel mit der Landwirtschaft und den menschlichen Bewohner*innen gestalten kann. Ziel ist es, Wissenschaft, Naturschutz und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung in Einklang zu bringen.
Wenn der Gong schlägt, gibt es "Reis und Bohnen"
Zum Essen wird auf La Gamba per Gong gerufen, den man im Dschungel überraschend weit hört. Wenn um sieben Uhr früh der Ruf zum Frühstuck ertönt, ist die Essenspause sehr willkommen, schließlich sind einige Forscher*innen schon seit Stunden im Feld. Der Speiseplan in der Tropenstation ist recht einfach, wie Werner Huber berichtet: "In Costa Rica essen die Leute normalerweise drei Mal am Tag Reis mit Bohnen. Ich liebe Reis mit Bohnen, aber drei Mal am Tag, das ist schon viel." Die vier einheimischen Köchinnen, die die Besucher*innen der Station versorgen, bereiten darum meist auch noch ein weiteres Gericht zu.
Florian Etl widmet sich nach dem Mittagessen meistens der Laborarbeit, denn im Feld ist es inzwischen sogar zu heiß für Blüten und Bestäuber geworden. Dass der Laborbereich einer der wenigen klimatisierten Räume ist, macht ihn in der Mittagshitze zu einem beliebten Arbeitsplatz.
Ein Gaschromatograph im Dschungel
Die Pionier*innen von La Gamba hatten in den Anfangsjahren lediglich einfache Mikroskope zur Verfügung, die auch noch alle paar Jahre wegen Schimmelbefalls repariert werden mussten. Heute kann sich die Laborausstattung der Tropenstation sehen lassen: Seit Neuesten gibt es sogar einen Gaschromatographen, der mit Elektro-Antennographie gekoppelt ist und mit dem sich zum Beispiel Blütendüfte in ihre einzelnen flüchtigen Bestandteile (Moleküle) trennen und analysieren lassen. Florian Etl testet damit direkt die gefundenen Duftstoffe und deren Wirkung auf die Antennen von Insekten. Er konnte sogar einen bisher unbekannten Naturstoff entdecken, der speziell eine einzige, neu entdeckte Wanzenart anlockt. Der Duftstoff wurde zu Ehren der Station auf den Namen "Gambanol" getauft (siehe Infobox).
Besondere Blüten und ihre Bestäuber
Die Forschung von Florian Etl widmet sich ganz den Aronstabgewächsen und ihren Bestäubern. Etl untersucht verschiedene Arten, die je nach Tageszeit aktiv sind und ihre speziellen Bestäuber mit artspezifischen Blütendüften anlocken. Dabei hat er im vergangenen Jahr ein neues Bestäubungssystem gefunden, bei dem ein eigentlicher Schädling von vielen Aronstabgewächsen bei einer einzigen Art zum Bestäuber und damit zum Nützling wird. Das Bestäubungssystem des Aronstabgewächses "Syngonium hastiferum" stellt das erste entdeckte Weichwanzenbestäubungssystem dar. Eine von Floria Etl neu entdeckte Philodendron-Art erhielt ihm zu Ehren den Namen "Philodendron florianetlii".
Radeln gegen den Lagerkoller
Am Äquator dauert der Tag genau zwölf Stunden. Das heißt, um 18 Uhr ist es bereits stockdunkel. Nach dem Abendessen haben die meisten Forscher*innen Zeit, um sich mit den anderen Gästen der Tropenstation auszutauschen. Meistens sind nämlich auch Studierende oder Schüler*innengruppen im Regenwald der Österreicher zu Gast, und auch Naturtourist*innen schätzen die abgeschiedene Lage (es gibt auch die Möglichkeit, ein Praktikum oder Volontariat zu absolvieren). An der Station leisten außerdem jeweils zwei Zivildiener ihren Auslandsdienst.
Während sich am Abend wieder die Geräuschkulisse des nächtlichen Regenwalds ausbreitet, legen sich die Bewohner*innen der Station in ihre Betten. Manchmal schwingt sich eine Gruppe noch auf die Räder, und macht im zwei Kilometer entfernten La Gamba die einzige Bar des Orts Los Potrillos "unsicher". Ein bisschen Abwechslung im Forschungsalltag muss schließlich auch sein, ganz nach dem inoffiziellen Motto von Costa Rica und der Tropenstation La Gamba: Pura Vida!
Rudolphina Roadtrip: Anreise nach La Gamba
- Flüge gehen z.B. von Wien über Madrid, Frankfurt, Paris, Amsterdam oder über die USA nach San José, der Hauptstadt Costa Ricas (Reisezeit etwa 20 Stunden). Von San José fährt man ca. acht Stunden mit Bus oder Auto in den wilden Süden Costa Ricas bis zum Städtchen Golfito an der Küste des Golfo Dulce. Von dort sind es noch zehn Kilometer nach La Gamba.
- Ihre Expertise und ihr regionales Know-how bieten die beiden Biologen Werner Huber und Anton Weissenhofer seit 1999 auch in organisierten Studienreisen über das eigene Reisebüro an.
- Für Studierende werden vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung regelmäßig Exkursionen und Lehrveranstaltungen in La Gamba angeboten.
- Selbst nach La Gamba: Ein Praktikum in den Tropen? Freiwilligendienst im Regenwald? Die Tropenstation La Gamba freut sich über engagierte Mitarbeiter*innen und interessierte Besucher*innen: mehr Informationen und offene Plätze.
Neben Mitarbeit in diversen Forschungsprojekten, u.a. in Costa Rica, Borneo, am IMP Vienna und der Oxford University Field Station, war er u.a. Nationalparkranger im Nationalpark "Neusiedlersee-Seewinkel". Er arbeitet auch an Projekten zum Schutz von Bestäubern in Wien wie zum Beispiel den Wiener Biodiversitätskorridor. Auf dem Foto ist er mit der Philodendron-Art zu sehen, die er entdeckt hat, und die deshalb den Namen "Philodendron florianetlii" trägt.
Neben der wissenschaftlichen Erforschung und Erhaltung des einmaligen Ökosystems im "Regenwald der Österreicher" arbeiten er und sein Team auch an sozioökonomischen Projekten in dieser Region. Besonders am Herzen liegt ihm auch die Wissenschaftsvermittlung, im Rahmen von Ausstellungen, Publikationen und mit dem Reisebüro, das er gemeinsam mit Anton Weissenhofer betreibt.
Das Gespräch mit Werner Huber führten wir beim Besuch der Jubiläumsausstellung 30 Jahre La Gamba im Botanischen Garten der Universität Wien, mit Florian Etl, live aus La Gamba, via Zoom.