"Raus aus der Bubble"
Rudolphina: Wie kam es zur Gründung des Reportage-Podcasts "Inselmilieu"? Was war Ihre persönliche Motivation dafür?
Julia Breitkopf: Inselmilieu ist Wiens erster Reportage-Podcast, den man nicht nur anhören, sondern auch ansehen kann. Gemeinsam mit meiner Kollegin, der Fotografin Jana Mack, laden wir unsere Hörer*innen dazu ein, über den eigenen "Inselrand" hinauszuschauen und gemeinsam mit uns die Vielfalt der Lebensweisen in unserer Gesellschaft zu entdecken. Per Podcast, Fotoreportage und Social Media nehmen wir sie mit auf eine Reise in fremde Milieus – zu Menschen, mit denen man im Alltag selten ins Gespräch kommt. Wir haben beide im Alltag die Beobachtung gemacht, dass wir Menschen zunehmend in einer Bubble leben, in der wir vorrangig mit anderen Personen Kontakt haben, die genauso ticken wie wir. Tatsächlich ist es so: Mit anderen Sichtweisen oder Lebensrealitäten kommt man sowohl im echten als auch im digitalen Leben immer seltener in Berührung. Diese gesellschaftliche Spaltung wollen wir mit unserem Projekt aufbrechen.
Rudolphina: Sie haben Soziologie an der Universität Wien studiert. Wie haben Sie Ihr Studium erlebt und was ist geblieben?
Julia Breitkopf: Soziologie als sozialwissenschaftliches Studium bietet viel Raum, um sich mit unterschiedlichen Themen intensiv auseinanderzusetzen. Dadurch konnte ich mir eine fundierte Allgemeinbildung aneignen. Sehr bereichernd waren für mich auch die Auslandsaufenthalte während meines Studiums. Ich habe ein Erasmus Semester in Kopenhagen und ein kurzfristiges wissenschaftliches Auslandsstipendium in New York City absolviert. Was geblieben ist? Durch mein theoretisches Hintergrundwissen darüber, wie Gesellschaft und menschliche Beziehungen aufgebaut sind, kann ich soziale Phänomene besser in ein großes Ganzes einordnen. Als Soziologin lernt man gesellschaftliche Normen kritisch zu hinterfragen – das prägt mich immer noch. Freundschaften, die ich in einem Erstsemestrigen-Tutorium geschlossen habe, bestehen immer noch. An meinen Studienfreund*innen sehe ich auch, dass Soziologie kein klares Berufsbild vorgibt, vielmehr werden uns ganz unterschiedliche Perspektiven eröffnet.
Rudolphina: Wann kommt die Soziologin in Ihnen zum Vorschein?
Julia Breitkopf: Die Soziologin in mir sieht man vor allem in meiner Entdeckerlust und meinem Interesse an vielfältigen Lebensweisen und Lebensverläufen. Als Soziologin habe ich mich immer schon gerne an ungewöhnliche Orte begeben, um soziales Handeln zu beobachten, zu verstehen und zu erklären. Für meine soziologischen Forschungen an der Uni habe ich zum Beispiel das Geschehen in Bordellen und auf Straßenstrichs beobachtet oder habe die Randkultur von weiblichen Strafgefangenen erforscht. In meinem Reportage-Projekt Inselmilieu möchte ich einer breiten Öffentlichkeit meinen "soziologischen Blick" auf die Welt eröffnen und sie auf gesellschaftliche Phänomene aufmerksam machen, die man im Alltagstrott oft übersieht.
Rudolphina: Welche Ziele, Träume oder Wünsche haben Sie für die Gesellschaft?
Julia Breitkopf: Mein Ziel ist es, Menschen Gehör zu verschaffen – genau das tue ich auch mit meinem Podcast und meiner PR-Agentur, mit der ich insbesondere Frauen dabei unterstütze, in den Medien als Expertinnen zu Wort zu kommen. Als Journalistin habe ich die Möglichkeit, Menschen mit ihren Anliegen oder ihrer Expertise im öffentlichen Diskurs Gehör zu verschaffen. Frauen, aber auch Menschen mit Migrationsbiografie oder schwarze Personen, sind in unserer Medienlandschaft unterrepräsentiert. Es macht einen Unterschied, wer medial zu Wort kommt. Ich bin der Überzeugung, dass es Medieninhalte braucht, die unsere Welt fair repräsentieren. Dass Geschichten aus der gesamten Gesellschaft erzählt werden müssen, nicht nur von einem bestimmten Menschentyp.
Rudolphina: Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt? Was hat sich für Sie persönlich oder beruflich verändert?
Julia Breitkopf: Das Zurückgeworfen sein auf sich selbst hatte im Endeffekt positive Auswirkungen auf mich, denn ich konnte die gewonnene Zeit für meine Ideen und Projekte nutzen. Im ersten Lockdown habe ich meine Kollegin Jana Mack online über Zoom kennengelernt, mit ihr habe ich gemeinsam die Idee zu Inselmilieu entwickelt. Ohne Corona würde es Inselmilieu also nicht geben. In dieser Zeit habe ich mich auch mit meiner PR-Agentur FURORE Brand Communications selbstständig gemacht. Als Gründerin hat sich für mich beruflich also einiges in eine positive Richtung entwickelt.
Rudolphina: Die aktuelle Semesterfrage der Uni Wien lautet dieses Semester "Worauf legen wir noch Wert?" Inwiefern haben sich Ihre persönlichen Wertvorstellungen durch die Erfahrungen der Pandemie verändert?
Julia Breitkopf: Die Pandemie hat mir gezeigt, wie wichtig Selbstverwirklichung für mich ist. In meiner Selbstständigkeit mache ich nun mein eigenes Ding. Als Gründerin während der Pandemie ist mir vor allem die Wichtigkeit eines persönlichen Austausches bewusst geworden. Ich konnte zunächst nur digital netzwerken. Als es dann wieder möglich war, sich auch im echten Leben zu treffen, haben sich gleich einige neue Projekte ergeben. Mit Inselmilieu wollen wir unsere Hörer*innen aus ihrer Bubble rausholen und ihnen die Meinungsvielfalt, die kulturelle Vielfalt und die soziale Vielfalt vor ihrer eigenen Haustüre zeigen. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie schnell Filterblasen und Echokammern das eigene Blickfeld verengen können. Mit unseren Reportagen wollen wir die Hörer*innen dazu anzuregen, ihr eigenes Insel-Dasein zu reflektieren und über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Wir alle sollten uns das Interesse an Menschen, die anders ticken oder leben, als gesellschaftlichen Wert bewahren. (sh)
Steckbrief
Name: Julia Breitkopf
Alter: 36
Studium: Soziologie
Gründungsjahr: 2021
Mein Business: PR-Agentur FURORE Brand Communications und Reportage-Podcast INSELMILIEU
Mein Tipp für Gründer*innen: Auch wenn's klischeehaft klingt: Einfach machen!
Link zur Website:www.sorgfuerfurore.at; www.inselmilieu-reportage.at