Journalismus und Demokratie

The Good News Project: Ihre Datenspende zählt!

Heute schon die Nachrichten gelesen? Und, war etwas Gutes dabei? Wenn ja, dann "spenden" Sie dieses Fundstück doch der Wissenschaft und werden Sie Teil des "Good News Projects" an der Uni Wien, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Medienkonsum der Österreicher*innen besser zu verstehen und dem Vertrauensverlust in Medien und Demokratie entgegenzuwirken.
Journalismus und Demokratie sind eng miteinander verknüpft. Sophie Lecheler und ihr Team wollen von Leser*innen aus ganz Österreich wissen, welche Art von Berichterstattung sie sich wünschen – und warum. © Alex Schuppich / Universität Wien

Der freie Zugang zu Medien ist für eine "gesunde" Demokratie essentiell – schließlich benötigen wir ausgewogene Informationen, um unsere (Wahl-)Entscheidungen treffen zu können. Doch was passiert eigentlich mit der Demokratie, wenn wir mehr und mehr in individualisierten Informationswelten leben und nur das konsumieren, was uns Google oder Facebook serviert? Wenn ich die Themen des Tages nicht mehr mit der Nachbarin diskutieren kann, weil "ihre" Neuigkeiten ganz andere sind als meine? Oder wenn Menschen Nachrichten komplett vermeiden, zum Beispiel weil sie diese zu negativ finden?

Wo Algorithmen bestimmen, welche Beiträge in unserem Newsfeed auftauchen – zugeschnitten auf unsere Profile, auf unser Verhalten im Netz – ist es für die Wissenschaft teilweise zur Blackbox geworden, was die User*innen vorgesetzt bekommen. Forscher*innen wie Sophie Lecheler, Expertin für politische Kommunikation an der Universität Wien, greifen daher auf sogenannte "Datenspenden" aus der Bevölkerung zurück, um durch die "digitale Brille" der Nutzer*innen blicken zu können. Etwa um zu verstehen, wie Wähler*innen auf neue Formen des digitalen Wahlkampfs reagieren oder welche Medien User*innen wählen, um sich politisch zu informieren. In ihrem aktuellen "The Good News Project" wollen Lecheler und ihr Team von den Österreicher*innen wissen, welche Nachrichten sie besonders gut finden – und suchen dafür noch nach engagierten Datenspender*innen.

Daten spenden, Forschung unterstützen

Damit "The Good News Project" gelingt, sind die Kommunikationswissenschafter*innen auf Ihre Unterstützung angewiesen: Gesucht werden Studienteilnehmer*innen, die tagesaktuelle Nachrichtenbeiträge "spenden", die sie online entdeckt haben und positiv bewerten. Die Spende wird per Screenshot oder Link erfasst und dann hochgeladen.

Mitmachen ist ganz einfach:

  • bis zu drei Beispiele von tagesaktuellen Online-Berichten spenden, die Ihren persönlichen Kriterien einer "guten Nachricht" entsprechen
  • Weblink oder Screenshot hochladen
  • einen kurzen Fragebogen zu Ihrer Auswahl beantworten

Update: Das Good News Project ist abgeschlossen. Hier geht's zu den Ergebnissen.

Wird der politische Diskurs als zu negativ erlebt, sinkt das Vertrauen

Skandal-Schlagzeilen aus der Führungsriege, Fake News und politische Debatten in Online-Foren, die wenig sachlich sind: Wer möchte sich da eigentlich noch mit Politik beschäftigen? "Tatsächlich nehmen persönliches Wohlbefinden und Vertrauen in die Politik ab, wenn wir den digitalen politischen Diskurs als negativ erleben", sagt Sophie Lecheler. Bei zu viel Negativität in der politischen Berichterstattung meiden manche User*innen die mediale Auseinandersetzung sogar gänzlich oder flüchten sich in ihre vertraute Filterblase. Während bereits erforscht wird, was Menschen dazu motiviert, den Nachrichtenmedien den Rücken zu kehren, ist überraschend wenig darüber bekannt, welche Nachrichten sie für "gut" befinden.

"Wir wollen wissen: Welche News, zu welchen Themen, bewerten die Österreicher*innen als gut und warum? Warum bevorzugen sie diese Nachrichten gegenüber anderen?", erklärt Projektmitarbeiterin Svenja Schäfer, Postdoc in der "Political Communication Research Group", die Lecheler an der Uni Wien leitet. Mit "Good News" sind dabei nicht unbedingt nur positive oder konstruktive Meldungen gemeint, sondern Meldungen, die Leser*innen "einfach gefallen haben – egal aus welchem Grund auch immer". Gefragt ist also, was der oder die User*in selbst unter "guten Nachrichten" versteht. 

Gesucht werden digitale Nachrichtenbeiträge zum tagesaktuellen Geschehen, auf die Sie online gestoßen sind und die bei Ihnen einen guten Eindruck hinterlassen haben. Mit Ihrer Datenspende helfen Sie den Forscher*innen der Universität Wien zu verstehen, welche Art von Berichterstattung sich Leser*innen wünschen – und warum. 

    Zukunft der Demokratie, Zukunft des Journalismus 

    Journalismus und Demokratie sind eng miteinander verknüpft. Da sich die Zeiten ändern, muss sich also auch die Form der Berichterstattung ändern, findet Sophie Lecheler. In welche Richtung es gehen kann, soll "The Good News Project" offenbaren – mit tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung. Die Studie reiht sich damit in die Tradition der Citizen Science ein: Wissenschaftliche Projekte werden in Zusammenarbeit mit interessierten Bürger*innen umgesetzt. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft lässt neues Wissen entstehen und schafft damit die nötige Grundlage, um Kommunikation in Zeiten von Algorithmen und Co. mitgestalten zu können. 

    Wie geht es nach der Datenspende weiter?

    Die Ergebnisse des "The Good News Projects" werden voraussichtlich Anfang 2023 vorgestellt. Wer teilnehmen und eine "Datenspende" abgeben will, findet hier alle Infos zur Studie. Mehr zum Thema "Was macht Digitalisierung mit der Demokratie?" erfahren Sie im neuen Themenschwerpunkt im Wissenschaftsmagazin Rudolphina oder unter #semesterfrage auf den Social Media-Kanälen der Universität Wien.

    Sophie Lecheler im Interview: Wieviel Algorithmus verträgt die Demokratie?

    Lesen Sie mehr über Sophie Lecheler und ihre Forschung: Die Rudolphina-Redaktion hat die Kommunikationsexpertin in ihrer Ideenschmiede in der Kolingasse besucht. Das derzeit größte Projekt des Teams dreht sich um den Wahlkampf in Zeiten von Social Media und Co.: Wenn politische Parteien sich an die neuen individualisierten Werbestrategien (Mikrotargeting) herantasten und dabei "eigentlich gar nicht genau wissen, was sie tun", kann das auch nach hinten losgehen – "und potenzielle Wähler*innen vergraulen anstatt sie zu gewinnen", erklärt die Expertin im Interview.

    © Barbara Mair
    © Barbara Mair
    Sophie Lecheler ist seit November 2016 Professorin für Politische Kommunikation am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien und seit 2018 Vice-Chair der Political Communication Division der International Communication Association (ICA).

    Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Politische Kommunikationsforschung, Emotionen in der politischen Kommunikation, Politischer Journalismus und Digitalisierung der Nachrichtenproduktion.

    © Svenja Schäfer
    © Svenja Schäfer
    Svenja Schäfer ist Universitätsassistentin (Postdoc) in der Political Communication Research Group am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Zuvor war sie als Research Assistant an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig, wo sie auch promovierte.

    Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Nutzung von (digitalen) Nachrichten und ihre Wirkung auf (wahrgenommenes) Wissen, soziale Kohäsion und Polarisierungsprozesse.