Inhalation als COVID-19 Therapie

"Ohne Umweg in die Lunge"

11. Jänner 2021 von Barbara Wohlsein

Lea Ann Dailey beschäftigt sich im Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie mit der effizienten "Verpackung" von Wirkstoffen, insbesondere in Form von Inhalationstherapie. Diese Therapie ist gerade in der Behandlung von Lungenkrankheiten wie COVID-19 vielversprechend.

Um ihren Bereich der pharmazeutischen Forschung zu beschreiben, hat sich Lea Ann Dailey einen leicht verständlichen Merksatz zurechtgelegt: "Unser Ziel ist, einen Wirkstoff in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle im Körper zu befördern."

Lea Ann Dailey forscht seit November 2019 im Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Fakultät für Lebenswissenschaften, aktuell arbeitet sie unter anderem mit Judith Rollinger an der Erforschung von Naturstoffen zur Behandlung von Atemwegserkrankungen – darunter auch COVID-19.

Inhalation: der "direkte Weg"

Damit Wirkstoffe ist ausreichender Konzentration direkt in die Lunge gelangen, werden sie unter anderem über Inhalationstherapie verabreicht – ein Thema, mit dem sich Lea Ann Dailey schon sehr lange beschäftigt: "Ich habe mich schon früh in meiner wissenschaftlichen Laufbahn mit der 'Verpackung' von Wirkstoffen befasst, die bei Lungenkrankheiten verabreicht werden. Ich habe vor allem untersucht, ob eine besondere Verpackung die Konzentration des Wirkstoffs in der Lunge erhöhen kann. Solche Ansätze können zum Beispiel dazu beitragen, dass Lungeninfektionen besser therapiert werden und keine Antibiotikaresistenzen ausbilden."

Wann eignet sich ein Wirkstoff besonders für eine Inhalationstherapie? Dailey: "Es gibt Arzneistoffe, die aufgrund ihrer Größe und Struktur über Inhalation länger in der Lunge verweilen und damit direkt vor Ort besser wirken können." Wird ein Wirkstoff als Tablette geschluckt, hat er einen langen Weg durch die Blutbahn vor sich und kommt mitunter nur zum Teil in der Lunge an.

Ein Wirkstoff muss "gut fliegen"

Hier beginnt die besonders herausfordernde Arbeit, wie Lea Ann Dailey erklärt: "Wirkstoffe, die für eine Inhalationstherapie geeignet sind, verpacken wir auf eine besondere Art und Weise, damit möglichst viel Wirkstoff beim Inhalieren in der Lunge ankommt. Die Verpackungsstrategie erfordert nicht nur Kenntnisse über die Wirkstoffe, sondern auch über die aerodynamischen Eigenschaften unserer Systeme. Für die Inhalationstherapie ist es wichtig, dass unser Wirkstoff im 'Verpackungssystem' gut fliegen kann.“

Stichwort Aerodynamik

Auch die Gestaltung der Inhalatoren ist entscheidend für die Wirksamkeit der Arzneistoffe. Das gängigste Beispiel sind handliche Inhalatoren, die von Asthma- und COPD-Patient*innen regelmäßig verwendet werden. „Wir müssen unsere neuen Verpackungssysteme, also Wirkstoff plus Träger, immer mit verschiedenen Inhalatoren testen, damit wir prüfen können, dass die Kombination aus Verpackungssystem und Inhalator möglichst viel Wirkstoff direkt in die Lunge befördern kann. Wenn diese Kombination nicht stimmt, bleibt der Wirkstoff um Mund- und Rachenraum hängen und ist nicht mehr effektiv.“

Den weiteren Weg im menschlichen Körper erklärt die Dailey so: "Unsere Lunge kann man sich wie einen Baum vorstellen, der auf den Kopf gestellt ist. Wenn wir einen Inhalator verwenden, werden Wirkstoff und Träger aerosoliert. Die Aerosolteilchen müssen eine genau definierte Größe sowie ein bestimmtes Gewicht besitzen, damit sie durch die verzweigten Äste der Atemwege durchkommen. Wenn wir im Labor unsere Arbeit richtig machen, landen die Aerosolteilchen auf den Lungenzellen in dem erkrankten Bereich der Lunge, wo sie besser wirken können."

Die Prämisse ist stets, Stoffe möglichst effizient und mit möglichst wenigen Nebenwirkungen an jenes Ziel ("Target") im Körper zu bringen, wo sie wirken können. Deshalb ist die Forschung auch nie abgeschlossen: "Es gibt immer Möglichkeiten, bestehende Arzneistoffe neu zu verpacken und damit zu optimieren."

"Ich bin von den neuen Ansätzen in der Phagentherapie fasziniert. Die Phagentherapie setzt besondere Viren, die nur Bakterien und keine Menschen infizieren können, als Wirkstoffe ein. Therapeutische Bakteriophagen sind aber kompliziert in der Herstellung und Verabreichung, weshalb sich die Phagentherapie nie bei uns etabliert hat. Neue technologische Fortschritte können diese Probleme lösen. Es gibt bereits Forschungsarbeiten zu der 'Verpackung' von Phagen für die Inhalationstherapie von Lungeninfektionen", antwortet Lea Ann Dailey auf die Semesterfrage "Welche Wirkstoffe haben Zukunft?".

Fortschritte in der COVID-19-Forschung

In der COVID-19-Forschung arbeitet das Team rund um Lea Ann Dailey und Judith Rollinger in der präklinischen Phase: Naturstoffe, die potenziell gegen eine akute COVID-19-Infektion direkt in der Lunge wirken können, wurden bereits identifiziert, nun wird ihr Verhalten im Körper erforscht. "Wir untersuchen im Labor eine Vielzahl von Molekülen und stellen fest, wie effektiv sie sind, wie lange sie in der Lunge bleiben und natürlich auch, wie verträglich sie sind. Seit Kurzem haben wir die ersten Daten, die zeigen, dass die bestwirkenden Naturstoffe aus der Forschung von Judith Rollinger für die Inhalationstherapie sehr gut geeignet sind. Die nächsten Schritte bestehen darin, diese Wirkstoffe für die Inhalationstherapie zu verpacken und ihre Wirksamkeit nach der Inhalation zu prüfen.“

© Barbara Mair
© Barbara Mair
Lea Ann Dailey hat seit November 2019 die Professur für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie am Department für Pharmazeutische Technologie & Biopharmazie der Universität Wien inne. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Nanomedizin, Nanodiagnostika und Nanoplastik, innovative Darreichungsformen und Erkennung und Therapie von Infektionserkrankungen.