Krebsforschung

Bilirubin: Genetisch im Vorteil

17. März 2023 von Hanna Möller
Essen ohne dabei zuzunehmen, ein vorbildlicher Fettstoffwechsel, niedrige Entzündungswerte – Menschen mit einem erhöhten Bilirubinspiegel sind metabolisch gesünder und sogar vor einigen Krebsarten geschützt. Warum dies so ist fanden Ernährungswissenschafter*innen der Universität Wien rund um Karl-Heinz Wagner heraus.

Das Gilbert-Syndrome (auch als Morbus Meulengracht bekannt) galt lange Zeit als Erkrankung. Betroffene Personen sind schlanker, haben einen geringeren BMI, weniger Körperfett und bessere Fettstoffwechsel- sowie Blutzuckerdaten. Sie sind vor oxidativem Stress geschützt und weisen deutlich niedrigere Entzündungswerte auf – ohne dafür besonders gesund leben zu müssen.

Diese durchaus angenehmen Symptome sind auf einen leicht erhöhten Bilirubinwert zurückzuführen, der durch eine genetisch bedingte Unterfunktion der Enzyme UDP-Glucuronosyltransferase entsteht, erklärt Karl-Heinz Wagner vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien: "Menschen mit dem Gilbert-Syndrome haben damit einen körpereigenen Schutz vor Typ2-Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen."

Bilirubin schützt auch vor Krebs

Dass Bilirubin auch in einem Zusammenhang mit Krebserkrankungen steht, fanden Karl-Heinz Wagner, Nazlisadat Seyed Khoei und Claudia Hana von der Universität Wien in einem kürzlich abgeschlossenen FWF-Projekt heraus: "Wir konnten zeigen, dass ein leicht erhöhter Bilirubinspiegel im Blut das Risiko für Dickdarmkrebs senkt – insbesondere bei Frauen. Unabhängig vom Geschlecht wird durch Bilirubin auch das Risiko für Lungenkrebs reduziert." Als Basis dienten ihnen Ergebnisse aus der UK-Biobank sowie der EPIC-Studie, ein Europäisches Verbundprojekt von prospektiven Kohortenstudien in zehn europäischen Ländern mit insgesamt rund 521.000 Teilnehmer*innen.

In Mitteleuropa weisen etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung einen erhöhten Bilirubinwert auf. Die positiven Effekte sind wissenschaftlich bereits belegt, doch gilt es, die Ergebnisse auch im klinischen Umfeld zu etablieren. "Bilirubin birgt das Potenzial, als Biomarker Voraussagen über chronische Erkrankungen liefern zu können. Das hätte große Auswirkungen auf Einzelpersonen, aber auch auf unser Gesundheitssystem", so Wagner.

Warum besteht der Schutz?

Das erhöhte Bilirubin ist die Auswirkung einer besonderen Stoffwechselsituation die, bedingt durch die "chronische Situation", den Energiestoffwechsel stimuliert, den Fettstoffwechsel ankurbelt und den Glukosestoffwechsel positiv beeinflusst. Dadurch liegt ein Leben lang eine sehr günstige metabolische Situation vor, sodass die klassischen Risikofaktoren wie LDL-Cholesterin, der Blutzuckerspiegel oder das Gewicht nicht oder nur sehr moderat ansteigen. "Die physiologischen und molekularen Mechanismen dazu haben wir im letzten FWF-Projekt weiter aufklären können", erklärt Wagner. (hm)

Dieser Beitrag ist ursprünglich im November 2020 erschienen.

Forschungsprojekte

Das FWF-Projekt "Adipositas, erhöhtes Bilirubin und das Krebsrisiko" unter der Leitung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Karl-Heinz Wagner läuft von September 2019 bis September 2023.

Das FWF-Projekt "Bilirubin und Metabolische Gesundheit" unter der Leitung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Karl-Heinz Wagner läuft von Jänner 2023 bis Jänner 2026.

Publikationen

Die Publikation "Serum metabolomics analysis reveals increased lipid catabolism in mildly hyperbilirubinemic Gilbert's syndrome individuals" (Claudia A Hana, Lan V Tran, Christine Mölzer, Elisabeth Müllner, Marlies Hörmann-Wallner, Bernhard Franzke, Anela Tosevska, Patrick A Zöhrer, Daniel Doberer, Rodrig Marculescu, Andrew C Bulmer, Heinz Freisling, Ali A Moazzami, Karl-Heinz Wagner) erschien 2021 in Metabolism - Clinical and Experimental.

Die Publikation "Inhibition of Lipid Accumulation in Skeletal Muscle and Liver Cells: A Protective Mechanism of Bilirubin Against Diabetes Mellitus Type 2" (Claudia A Hana, Eva-Maria Klebermass, Theresa Balber, Markus Mitterhauser, Ruth Quint, Yvonne Hirtl, Antonia Klimpke, Sophie Somloi, Juliana Hutz, Elisabeth Sperr, Paulina Eder, Jana Jašprová , Petra Valášková, Libor Vítek, Elke Heiss, Karl-Heinz Wagner) erschien 2021 in Frontiers in Pharmacology.

Die Publikation "Bilirubin as an indicator of cardiometabolic health: a cross-sectional analysis in the UK Biobank" (Nazlisadat Seyed Khoei, Karl-Heinz Wagner, Anja M Sedlmeier, Marc J Gunter, Neil Murphy, Heinz Freisling) erschien 2022 in Cardiovascular Diabetology.

© Barbara Mair
© Barbara Mair
Karl-Heinz Wagner ist Professor für Ernährungs- und Lebensmittelqualität am Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien, zudem ist er Leiter des Emerging Field Oxidativer Stress und DNA-Stabilität sowie der Forschungsplattform Aktives Altern. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Biomarker-basierte Lebensstil-Interventionen zur Vorhersage des Risikos nicht übertragbarer Krankheiten und Sicherheitsbewertung von Lebensmitteln und Lebensmittelbestandteilen.

Wagner ist außerdem Dekan an der Fakultät für Lebenswissenschaften.