Rudolphina Roadtrip

Die ganze Affenbande forscht

22. März 2024 von Kathrin Runggatscher
Am Affenberg in Landskron bei Villach beforschen Wissenschafter*innen der Universität Wien und der FH Kärnten künftig Japanmakaken mittels KI im Projekt Smart Monkey Lab. Ein Rudolphina-Roadtrip zur Affenbande und den Menschen, die sie erforschen.

Smart Monkey Lab: Auch Affenforscher*innen setzen auf KI

Die 181 Japanmakaken vom Affenberg in Landskron werden künftig mit Drohnen und Gesichtserkennung durch künstliche Intelligenz beforscht. Mit dem kürzlich vorgestellten Projekt Smart Monkey Lab soll eine Brücke von der klassischen Verhaltensforschung hin zu digitalen Technologien geschlagen werden.

Lena Pflüger, die seit neun Jahren an den Japanmakaken in Landskron forscht, verweist auf das komplexe soziale Netzwerk der Primaten, das mit dem des Menschen vergleichbar sei. Die neuen Technologien seien ein Meilenstein auf dem Weg, die sozialen Dynamiken zu verstehen. "Japanmakaken leben in großen Gruppen und haben ein unglaublich komplexes Sozialsystem. Sie agieren in der Gruppe fast schon politisch", erklärte die Wissenschafterin. Pflüger betont auch die Bedeutung ihrer Forschung für den Artenschutz.

Hinweis der Redaktion: Dieser Text entstand im Sommer 2023 für die Serie "Rudolphina Roadtrip.

In Kärnten am Ufer des Ossiacher Sees thront die malerische Burgruine Landskron. Die Affenkolonie, die am Fuße der Burg lebt, wird von der Universität Wien wissenschaftlich betreut. Wie bitte?... Affen?… In Kärnten?!... Ja, Sie haben richtig gelesen! Die Affenkolonie, genauer gesagt 181 Exemplare der Gattung Macaca fuscata oder Japanmakaken, leben seit 1996 in Landskron. Von Beginn an war die Universität Wien bei der Erforschung dieser Gruppe federführend. Heute gibt es am Affenberg ein modern ausgestattetes Labor, vielfältige Forschungsprojekte und Lehrveranstaltungen.

"Der Affenberg war und ist eigentlich ein Tourismusprojekt", beantwortet Bernard Wallner von der Uni Wien die Frage, wie denn die Affen auf den Berg gekommen sind. Der Gründer des Affenbergs, Peter Gaubatz, hat in den 1990er Jahren aus Japan 39 sogenannte Schneeaffen bzw. Japanmakaken einfliegen lassen.

"Für Europa ist das einzigartig, weil ähnliche Projekte, wie der Affenberg Salem, meistens Berberaffen beheimaten", erzählt der Verhaltensbiologe, der auch schon zu den Gibraltar-Affen geforscht hat, bevor er sich den Kärntner Japanmakaken widmete. Seit 2020 ist der Affenberg offiziell eine Außenstelle der Universität, und die Kooperation zwischen Universität Wien und dem Land Kärnten wurde heuer bis 2028 verlängert.

Über einem Teich ist ein Klettergerüst gespannt, auf dem mehrere Makaken sitzen
Das weitläufige Gehege bietet den Affen viele Möglichkeiten zur Beschäftigung. An heißen Tagen springen vor allem die Jungtiere von hier gerne ins Wasser. © Carl Liebegall

Ausbruchsfrei seit 1996

Im vier Hektar großen Gelände fühlten sich die Tiere von Anfang an wohl, sind doch die klimatischen Bedingungen ähnlich wie in ihrer fernöstlichen Heimat. Die Kolonie hat sich auch prächtig vermehrt. Heute gibt es 183 Individuen. Die Affen können sich im Park frei bewegen, und es gibt auch etliche Bereiche, die nicht für Besucher*innen zugänglich sind. Zwei Mal am Tag werden sie von den Tierpfleger*innen gefüttert, allerdings müssen sie ihr Futter wie in freier Natur vom Boden auflesen, auch wenn es im Gehege weniger gut versteckt ist als in freier Wildbahn.

zwei Japanmakaken suchen auf dem Waldboden nach Futter. Zwischen ihnen liegen mehrere Karotten auf dem Waldboden.
Die Affen werden im Park gefüttert, sie müssen sich das Futter – wie hier zum Beispiel Karotten – suchen und selbst vom Boden auflesen. Das entspricht auch ihrem Fressverhalten in freier Wildbahn. © Roy Hammer

Die Frage, ob es manchmal Ausbruchsversuche der schlauen Primaten gibt, verneint Wallner lachend: "1996, als die Kolonie noch jung und wild war, sind einmal alle Affen ausgebüchst und es hat über einen Monat gedauert, bis alle wieder im Gehege waren." Heute hat die Gruppe nicht mehr den Drang, ihr Zuhause zu verlassen: "Die Tiere kennen mittlerweile den Wald, in dem sie leben, und haben dort genug Platz. Diesen Sommer zum Beispiel sind durch die heftigen Unwetter die Zäune arg beschädigt worden. Es hat sich aber kein einziger Affe davongemacht."

Wildes Schneetreiben

Kein Wunder, dass den Primaten im Gehege nie langweilig wird, denn je größer die Gruppe, desto mehr muss man sich als Japanmakake um seinen Platz in der Rangordnung bemühen (siehe Infobox). Dabei bilden sich komplizierte Allianzen und Ränkespiele, besonders zur Paarungszeit von September bis Februar. Genau diese Zeit ist für die Forscher*innen der Uni Wien am interessantesten.

Komplizierte Familienverhältnisse

Japanmakaken leben in größeren Gruppen und haben ein sehr komplexes Sozialleben. Die Gruppen sind aus mehreren Großfamilien zusammengesetzt, bei denen die Weibchen das Sagen haben. Die weiblichen Tiere bleiben in der Gruppe und werden ein Leben lang von ihrer Familie unterstützt, während die Männchen in ihrer Jugend die Gruppe verlassen müssen. Während der Paarungszeit im Winter haben die Primaten meist mehrere und schnell wechselnde Partnerschaften, in denen auch Seitensprünge nicht selten sind. Zu dieser Zeit sind die Hormonspiegel der Paarungs- und Stresshormone auch am höchsten. Im Sommer hingegen ist das Zusammenleben meist friedlich.

Am Affenberg, wo die Männchen nicht auswandern können, bildet sich meistens eine Gang der jugendlichen Männchen, die dann nach und nach wieder in die Gruppe zurückkommen. Vor ein paar Jahren passierte ein Split der Gruppe und es sah so aus, als ob sich zwei getrennte Gruppen bilden würden. Die Trennung war aber nicht von Dauer und der Trupp scheint jetzt wieder vereint. Diese temporäre Trennung – und die Wiedervereinigung – wurde genau erfasst und beobachtet und ist das Hauptthema der Forschung von Roy Hammer.

Lena Pflüger, Senior Scientist der Außenstelle und Roy Hammer, Doktorand am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie, forschen beide vor Ort am Affenberg. Im "Aufwärmkammerl" gleich neben dem Gehege geben sie uns Einblick in ihren Forschungsalltag: "Die aus Sicht der Verhaltensforschung besonders interessanten Konflikte und Allianzen zwischen den verschiedenen Individuen spielen sich vor allem während der Paarungszeit ab. Für uns bedeutet das, dass wir meistens im Winter den ganzen Tag im Feld sind." In den Kärntner Bergen kann die Temperatur da schon einmal auf minus zehn Grad fallen. Ein bisschen Kältetoleranz gehört also zum Job dazu.

Verhalten trifft Molekularbiologie

Nicht nur Geduld und warme Socken sind für das Team am Affenberg wichtig, sondern natürlich auch das Beherrschen moderner Methoden der Verhaltensforschung. Die meisten Forschungsprojekte am Affenberg beschäftigen sich damit, das Verhalten der Tiere mit ihrem Innenleben zu verknüpfen, etwa mit ihrem Hormonhaushalt bis hin zu ihrer DNA. So konnten die Wissenschafter*innen zum Beispiel beobachten, dass bestimmte Männchen während der stressreichen Paarungszeit einen kühleren Kopf bewahren als andere. Dies konnte mit einer Variation im Genom der Tiere in Verbindung gebracht werden, die die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol beeinflusst. Das Verhalten ist in diesem Fall also genetisch vorbestimmt.

Um den Kreis vom Verhalten zu den Genen zu schließen, beobachten die Forscher*innen nicht nur die Tiere, sie sammeln auch Kot-und Speichelproben und analysieren die darin befindlichen Hormone und DNA. Dabei steht das Tierwohl an erster Stelle und es werden nur nicht-invasive Methoden verwendet. Hier sind oft kreative Lösungen gefragt, wie z.B. die Verwendung von Angeln.

Lena Pflüger, die das Labor am Affenberg mit aufgebaut hat, erzählt von den Tücken der Proben aus dem Feld: "Wir können bei den gesammelten Proben keine Standard-Methoden anwenden, weil die darin enthaltene Affen-DNA sehr stark fragmentiert- und mit fremd-DNA versetzt ist. Wir müssen also nicht nur bei der Probenentnahme, sondern auch im Labor kreativ sein. Gerade diese Herausforderungen machen die Arbeit so spannend."

Auch die Beobachtungen selbst sind alles andere als trivial: Es gibt standardisierte Protokolle, die genau eingehalten werden müssen, und die Forscher*innen müssen alle Tiere an ihren Gesichtern erkennen. " Wir haben auch Akten zu jedem Tier, in denen wir seine jeweiligen Merkmale eintragen. Aber wenn sich auf einmal 30 Affen in eine Keilerei verwickeln, muss man schnell den Überblick gewinnen und vor allem schnell mitschreiben" erklärt Roy Hammer.

Who's your Daddy?

Mit einer neu-entwickelten Methode zur DNA-Entnahme können neuerdings auch Vaterschaftstests durchgeführt werden: "Das ist für uns besonders interessant, weil wir ganz neue Einblicke in die Gruppendynamik bekommen", erzählt Lena Pflüger begeistert. Der genetische Vergleich ist auch im Hinblick auf Pflügers Forschungstätigkeit an der Ursprungspopulation spannend. Sie hatte im letzten Jahr die Gelegenheit, die wild lebenden Verwandten der Kärntner Affenbande, die in Minō in der Nähe von Osaka leben, zu beforschen: "Es ist erstaunlich, dass sich die Tiere so ähneln. Es gibt in Minō einige Affen, die fast schon Doppelgänger unserer Tiere sind, sowohl vom Verhalten als auch vom Aussehen. Dies war nicht der Fall in anderen Populationen, die ich in Japan beobachten durfte. Der Vergleich der beiden Gruppen gibt uns noch zusätzlich Stoff für weitere Forschung."

Die Frage, ob die beiden einen Lieblingsaffen haben, verneinen sie lachend: "Aus wissenschaftlicher Sicht sollte man natürlich keine Präferenzen haben. Je mehr Zeit man mit den Tieren verbringt, desto mehr liebenswerte Eigenschaften findet man bei jedem Individuum. Es werden also alle Affen irgendwann zu unseren Lieblingsaffen", verrät Roy Hammer mit einem Augenzwinkern. 

Ein männlicher Forscher und eine weibliche Forscherin in einem grünen Wald. 2 Meter vor ihnen sitzt ein verwirrt dreinblickender Japanmakak auf dem Boden.
Lena Pflüger und Roy Hammer beobachten Pauli, ein ehemaliges Alpha-Männchen. Der größte Unterschied zu ihren freilebenden Verwandten ist, dass die Makaken am Affenberg an den Menschen gewöhnt sind. © Carl Liebegall

Rudolphina Roadtrip zum Affenberg Landskron

Bernard Wallner ist assozierter Professur für Comparative Anthropology am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien und Leiter der Außenstelle Affenberg Landskron. Neben Forschungsaufenthalten unter anderem in Tel Aviv und North Carolina und Chicago forschte er an den Berberaffen am Affenberg Salem und in Gibraltar bevor er sich den Japanmakaken am Affenberg Landskron widmete.

Das Hauptinteresse seiner Forschung ist die Verbindung von Verhalten, Endokrinologie und Genetik, nicht nur in Primaten, sondern auch bei Meerschweinchen und Menschen. Er untersucht, wie sich bestimmte Verhaltensmerkmale durch individuelle Unterschiede im Hormonhaushalt und in der Genetik niederschlagen. 

Lena Pflüger ist Senior Scientist am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien und wissenschaftliche Leiterin des Affenbergs Landskron, wo sie auch das Labor zur Probenanalyse vor Ort aufgebaut hat. 2022-2023 war sie für einen Forschungsaufenthalt in Japan in Kooperation mit der Universität Kyoto.

Seit 2011 forscht sie an den Japanmakaken, zuerst im Zuge ihrer Dissertation, dann als Senior Scientist am Affenberg Landskron. Sie ist Spezialistin für die molekularbiologische Analyse von Hormonen und DNA aus Kot- und Speichelproben der Primaten und entwickelt neue Methoden zur nicht-invasiven Probeentnahme.

Roy Hammer ist PhD Kandidat am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien unter der Betreuung von Lena Pflüger und Bernard Wallner. Er erforscht die Gruppendynamik der Japanmakaken am Affenberg Landskron mit besonderem Augenmerk auf Netzwerkanalyse der sozialen Interaktionen der Gruppe.