Metall und Licht im Wechselspiel
"Das ist schon etwas Besonderes, an einem derart großen DFG-Projekt mitwirken zu können – immerhin wird es in den ersten drei Jahren mit sechs Millionen Euro gefördert", freut sich Leticia González, Vorständin des Instituts für Theoretische Chemie: "Insgesamt geht es darum, fundamentale Erkenntnisse für mögliche Anwendungen neu entwickelter Metallkomplexe zu erlangen."
Das Thema des DFG-Projekts passt perfekt zu den Forschungsschwerpunkten von Leticia González, zu denen lichtinduzierte Chemie und Organometallchemie zählen. Die Chemikerin interessiert sich dafür, wie Materie und Licht wechselwirken, sprich, wie Moleküle mit Licht reagieren: "Licht ist überall, und es spielt bei sehr vielen chemischen und biologischen Prozessen eine wichtige Rolle", so González, die seit 2011 die Professur für Computational Chemistry/Scientific Computing an der Universität Wien innehat.
Täglich grüßt der Supercomputer
Als Theoretische Chemikerin arbeitet sie nicht im Labor, sondern am Computer. Es ist aber kein einfacher Bürorechner: "Wir arbeiten mit Supercomputern, wie dem Vienna Scientific Cluster. Das ist unser tägliches Werkzeug." Dort simuliert González gemeinsam mit ihrem Team die Eigenschaften und Reaktionen von Molekülen unter Lichtstrahlung; im aktuellen Projekt geht es darum, wie Metallkomplexe – Moleküle mit mindestens einem Metallatom – auf Sonnenlicht reagieren.
Im Kern suchen die 17 Einzelprojekte aus Deutschland, und mit González auch aus Österreich, u. a. nach Alternativen für Molekülkomplexe, die seltene und manchmal toxische Metalle wie etwa Ruthenium oder Iridium beinhalten. Potenzielle Einsatzgebiete sind dabei die medizinische Bildgebung, Sensor- und Displaytechnologien oder die Gewinnung von Solarenergie.
Launische Natur
"Besonders attraktiv sind Eisenkomplexe, aber die Natur ist launisch. Nur der Austausch eines einzelnen Atoms, z. B. Ruthenium gegen Eisen, ist in der Lage, die Eigenschaften des Metallkomplexes radikal zu verändern", so González: "Wir wollen das Verhalten neuer molekularer Strukturen von Metallkomplexen vorhersagen und untersuchen, ob sie die Anforderungen verschiedener photonischer Anwendungen erfüllen."
Synthese und Theorie
In der Praxis arbeitet González eng mit Synthetiker*innen zusammen, die die metallhaltigen Molekülstrukturen im Labor erschaffen. Mit Hilfe von Computermodellen, die auf Quantenmechanik basieren, simuliert die Chemikerin, wie Sonnenlicht auf die neu entstandenen Molekülkomplexe wirkt. Die Sonnenenergie wird im gesamten Molekül verteilt und begünstigt die eine oder andere Reaktion. "Wie und warum kommt es zu einem bestimmten Produkt? Um diese spannende Frage zu beantworten, brauchen wir genaue Vorhersagen darüber, wie das Molekül mit dem Licht wechselwirkt", erläutert Leticia González.
Computersimulation hilft bei der Auswahl
So die vereinfachte Erklärung, in der Realität sind die Forschungsmethoden natürlich weitaus komplexer: "Alleine die Synthese eines Moleküls ist sehr schwierig und aufwendig." Die im Projekt entwickelten Moleküle bestehen aus einem Metallkern und sogenannten Liganden – das sind weitere Moleküle, meist aufgebaut aus einfachen Elementen wie z. B. Kohlenstoff, Sauerstoff oder Stickstoff, welche am zentralen Metallkern hängen. "Dabei gibt es unzählige Möglichkeiten, wie man diese Liganden anordnen kann. Computersimulationen helfen bei der Auswahl der vielversprechendsten zu synthetisierenden Kandidaten", erklärt González.
Hochpräzise Lasertechnik
Ist der Metallkomplex synthetisiert, untersucht die Chemikerin, ob er die erwarteten Eigenschaften der Wechselwirkung mit Licht aufweist: "Hat er überhaupt energetisch angeregte Zustände, die für seine Integration in eine Solarzelle wesentlich sind?" Um diese Frage zu beantworten, kommt ein hochpräziser Laser als künstliches Sonnenlicht zum Einsatz. Dieses bis zu eine Million Euro teure Gerät liefert kontrollierte Lichtimpulse mit hoher Genauigkeit. Atome bewegen sich in Femtosekunden, das sind Millionstel von Milliardstel-Sekunden, erklärt González. "Ein solcher Prozess ist mit bloßem Auge nicht sichtbar, kann aber mit einer Femtosekunden-Laserkamera aufgezeichnet und mit Simulationen am Hochleistungsrechner weiter analysiert werden."
SHARC-Simulator
Das Team um González arbeitet dabei mit dem sogenannten SHARC-Code. Das ist ein einzigartiger Pioniercode, der seit fast zehn Jahren in der González Gruppe entwickelt wird. "Das besondere an SHARC ist, dass er alle verschiedenen lichtinduzierten physikalischen Prozesse auf der gleichen Grundlage beschreiben kann."
Derzeit laufen alle Rechner auf Hochtouren, um die Lichtreaktionen der entworfenen Metallkomplexe mit Simulationsfilmen und dem SHARC-Code zu erforschen – und das bis 2021. Oder, wenn das Projekt von der DFG für weitere drei Jahre verlängert wird, bis 2024. Leticia González ist es wichtig zu betonen, dass am Ende ihres Forschungsprojekts keine neue Display- oder Solartechnologie am Tisch liegen wird: "Wir betreiben hier Grundlagenforschung: Unser Ziel ist es, photoaktive Metallkomplexe besser zu verstehen. Wie in der Wissenschaft oft der Fall, kann das Basiswissen in ferner oder naher Zukunft genügend Anwendungen finden." (td)
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Leticia Gonzalez vom Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien ist mit ihrem Teilprojekt "EXTRA-SHARC – Dynamik angeregter Zustände von Übergangsmetallkomplexen mittels SHARC" Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunktprogrammes "Licht-kontrollierte Reaktivität von Metallkomplexen", das vorerst von 2018 bis 2021, bei möglicher Verlängerung bis 2024 läuft.
Leticia González ist Mitglied im Forschungsverbund Umwelt und Klima der Universität Wien.