Moore in Gefahr

Warum wir das Ökosystem Moor jetzt schützen müssen

21. August 2023 von Heidi Weinhäupl
Moore sind unterschätzt – dabei sind sie Hochwasserschutz, Dürreversicherung, Kläranlage und Kohlenstoffspeicher in einem. Welche gravierenden Konsequenzen das zunehmende Moorsterben für uns alle hat, erklärt Uni Wien-Geoökologe Stephan Glatzel.

Schlammige Hosen, nasse Füße, zahllose Gelsenstiche – kann man sich so den Alltag des Moorforschers vorstellen? "Na ja, es kreucht und fleucht schon im Moor – das sollte es ja auch. Wer Schlamm, Kreuzottern und Spinnen nicht mag, ist in der Moorforschung tatsächlich nicht gut aufgehoben", lächelt der Geoökologe Stephan Glatzel. Dafür sei es im Sommer kühler als anderswo. Und: "Ein intaktes Moor ist nicht so schlammig, wie man denkt, da der Torf eher faserig ist. Aber vor allem sind Moore wunderschön."

Moore in Gefahr

Leider werden intakte Moore immer seltener: Rund 90 Prozent der heimischen Moore sind bereits entwässert; in Deutschland und Polen gar 99 Prozent. Und auch diese Restbestände sind gefährdet. Zum einen durch die Klimakrise: "Die Klimaerwärmung stresst natürlich auch die Moore, da mehr Wasser verdunstet", erklärt Glatzel. Zum anderen durch die Entwässerung der Moore, etwa zur Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen. "Das ist der noch größere Stressfaktor und müsste gestoppt werden", sagt der Experte.

Kohlenstoff von Jahrtausenden in die Atmosphäre blasen

Denn die Entwässerung von Mooren sei gleich auf mehreren Ebenen problematisch. Natürliche Moore speichern den Kohlenstoff von Jahrtausenden: Auf nur drei Prozent der Landfläche binden Moore im Torf fast 30 Prozent des weltweiten Bodenkohlenstoffs. Und wenn sie entwässert werden, "blasen wir all diesen Kohlenstoff sehr schnell in die Atmosphäre", erklärt der Geoökologe. Moorschutz sei daher ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Ein Moor zu entwässern ist auf mehreren Ebenen problematisch.
Stephan Glatzel

Doch auch für die Qualität des Wassers und den Wasserhaushalt sind Moore wichtig: Sie filtern und reinigen, quasi wie Nieren, das Wasser, das durch sie hindurchfließt: "Manche wirken wie eine Pflanzenkläranlage. Wenn die Moore entwässert werden, geben sie viel Phosphor und Stickstoff ab – damit ruinieren wir die Wasserqualität", so Glatzel.

 

Hohe Artenvielfalt, gesundes Moor

Und, in Zeiten von mehr Dürren und mehr Starkniederschlägen immer wichtiger: "Moore wirken wie Schwämme – ein guter Hochmoortorf kann das 20-Fache seines Trockengewichts an Wasser speichern und dann langsam wieder abgeben. Moore sind also Hochwasserschutz und Dürreversicherung in einem", schwärmt Glatzel.
Zu guter Letzt sind Moore wichtige Rückzugsräume für bedrohte und endemische Arten. Die biologische Vielfalt auf und unter der Erde ist auch ein wichtiger Indikator dafür, wie gut es dem Moor geht. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich das seit 2022 laufende Projekt "Erhalt und Wiederherstellung der Biodiversität in Mooren Österreichs", das vom Biodiversitätsfonds des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie  gefördert wird, auf die biologische Vielfalt in österreichischen Mooren.

Lesen Sie auch
Rudolphina Roadtrip
Der Lunzer See wird schon seit über hundert Jahren beforscht: Wir besuchen die drittälteste ökologische Forschungsstation der Welt und wagen einen Sprung ins kühle Nass des für Niederösterreich einzigartigen Gewässers.

Moore in Längsschnittuntersuchung: Trockenheitseffekte erkennbar

Da die gleichen Moore bereits vor 35 Jahren erforscht wurden – als Uni Wien-Ökologe Gert Michael Steiner den ersten Moorschutz-Katalog initiierte –, können die Forscher*innen nun untersuchen, ob Veränderungen an den Moorstandorten auf den Klimawandel oder auf andere (menschliche) Einflüsse zurückzuführen sind. Steiner selbst ist zwar mittlerweile im Ruhestand, reist aber für das Biodiversitätsfondsprojekt wieder durch Österreich, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu unterstützen. "Wir sehen uns an den vielen Standorten an, ob neue Arten auftreten und ob Arten verloren gegangen sind", schildert der Botaniker und Moorschutz-Experte. "Bei einigen Standorten sehen wir bereits Trockenheitseffekte – das zeigt uns die zunehmende Verbuschung", so Steiner.  

Renaturierung von vier Mooren geplant

Im Zuge des Projektes ist die Renaturierung von vier Mooren geplant – welche dies sein werden, hängt von den Ergebnissen ab. Viele Moore werden als Weiden oder Mähwiesen genutzt; teilweise aber auch als Bauland, Äcker oder Fichtenforst. In manchen Bereichen sei eine Renaturierung sogar relativ einfach umsetzbar, beispielsweise bei Fichtenwäldern, erklärt Glatzel: "Fichtenwälder schädigen zwar die Biodiversität des Moores, aber die Torfschicht bleibt meist gut erhalten. Auch eine nicht zu intensive Weidenutzung oder eine späte Mahd im August schädigen Moore für gewöhnlich wenig."

Wenn wir diese beachtlichen Ökosysteme – und damit auch ihre Funktion für unseren eigenen Lebensraum – erhalten wollen, dann müssen wir gemeinsam investieren und aktiven Moorschutz unterstützen.
Stephan Glatzel

Durch die Moorgeschichte reisen

Im Uni Wien-Projekt "ReVersal" werden unterdessen Indikatoren gesucht, die bei der Wiederherstellung der entwässerten Torfmoore Entscheidungshilfe geben sollen. Dafür reisen die Wissenschafter*innen durch die Moorgeschichte: "Um hier die Schwellenwerte und Kipp-Punkte benennen zu können, untersuchen wir auch die Vergangenheit des Moores und die chemische Zusammensetzung des Torfs", erklärt Nasreen Jeelani, Postdoc im Projekt. In kleinen Torfwürfeln spürt sie chemische Verbindungen auf, so genannte Lipide, die Hinweise auf frühere Pflanzen und den Grad der Verrottung geben. "Ziel ist es, den jeweiligen Landeigentümer*innen evidenzbasiert und auf Basis der jeweiligen Moorgeschichte eine Entscheidungsmatrix zur Verfügung stellen zu können, wann es Sinn macht, ein Moor wiederherzustellen – und wann eher nicht", so die Torfspezialistin.

Was kann jede*r Einzelne zum Moor-Schutz beitragen?

  • Torffreie Gartenerde verwenden
  • Autofahrten reduzieren – dies vermeidet nicht nur CO2, sondern auch Stickoxide
  • Vorrangig Produkte aus extensiver Landwirtschaft und Bio-Landwirtschaft kaufen: Zwar können auch diese potenziell Moore schädigen, doch im Schnitt wird bei diesen Nutzungsformen stärker auf die lokalen Nährstoffkreisläufe geachtet.
  • Sich über Moore in der Umgebung informieren und diese besuchen. Lesetipps: die Moorbroschüre der Bundesforste, die Moorstrategie für Österreich (Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) und der Mooratlas 2023
  • Die Bebauungspolitik in der Heimatgemeinde, insbesondere in Bezug auf Moorböden, hinterfragen
  • Sich politisch und persönlich für den Erhalt dieser beachtlichen Ökosysteme einsetzen

Bewusstsein für den Moorschutz hat zugenommen

Von diesen und anderen Forschungsaktivitäten berichten die Moore-Expert*innen der Uni Wien in Workshops, Vorträgen, auf Twitter oder – wie im Fall des Biodiversitätsfondsprojektes – in Podcasts und Infoveranstaltungen für die lokal ansässige Bevölkerung. "Generell hat das Bewusstsein für die Bedeutung von Moorschutz in den letzten Jahren bei den Stakeholdern in Politik, Wirtschaft und Verwaltung stark zugenommen", zeigt sich Geoökologe Glatzel optimistisch. Auch daran waren Wissenschafter*innen der Universität Wien maßgeblich beteiligt: So wurde aus einem Projekt heraus die IG Moorschutz gegründet; gemeinsam mit zentralen Stakeholdern die österreichische Moorstrategie formuliert; auf internationaler Ebene die Mire Conservation Group ins Leben gerufen. Seit heuer ist Stephan Glatzel auch im Wissenschaftsbeirat der RAMSAR-Konvention vertreten.

Angesichts der Biodiversitäts- und Klimakrise sei es auch höchste Zeit für konkrete Moorschutz-Maßnahmen, drängt der Geoökologe: "Wenn wir diese beachtlichen Ökosysteme – und damit auch ihre Funktion für unseren Lebensraum – erhalten wollen, dann müssen wir gemeinsam investieren und aktiven Moorschutz unterstützen."

 

Ausflugstipp: Ab ins Moor

Das Pürgschachen Moor im Ennstal zählt zu den letzen Hochmooren der Alpen und hat nicht nur für die Forschung einiges zu bieten. Auf einem Rundwanderweg gelangen Besucher*innen zu zwei  Aussichtstürmen, die einen Blick ins Moor mitsamt seiner einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt erlauben.

© Alexander Bachmayer
© Alexander Bachmayer
Stephan Glatzel ist seit März 2014 Professor für Geoökologie am Institut für Geographie und Regionalforschung sowie Mitglied im Forschungsverbund Umwelt und Klima, beide Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Messung, Modellierung und Regionalisierung von Treibhausgasflüssen, der Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt von Mooren, Wäldern und Agrarökosystemen sowie Bodengeographie.