Weltweiter Sonnenschutz würde Klimakrise nicht lösen
Vergangenen Dezember verkündete das amerikanische Start-Up-Unternehmen "Make Sunsets", dass es Feldversuche zur künstlichen Klimakühlung durchgeführt hatte, indem Ballons gefüllt mit Schwefeldioxid ihren Inhalt hoch in der Atmosphäre, in die Stratosphäre injizieren. Dies hatte zu einem Aufruhr nicht nur unter Wissenschafter*innen, sondern auch der Allgemeinheit geführt.
Was ist Schwefeldioxid und wie beeinflusst es das Klima?
Schwefeldioxid ist ein natürlich vorkommendes, äußerst stechend riechendes Gas. Es kann kleine, reflektierende Partikel, Aerosole, bilden. Diese Aerosole sind stark sauer und große Mengen davon sind Hauptursache für den sauren Regen. Sie fungieren außerdem als ein riesiger weltumspannender Sonnenschutz, der das Klima herunterkühlt. So können etwa große Vulkanausbrüche zeitweise den Anteil an Schwefeldioxid und Aerosolen in der Stratosphäre erhöhen und die Erdoberfläche herunterkühlen. Ein ähnlicher Kühlungseffekt könnte durch das künstliche Injizieren von Schwefeldioxid oder Aerosolen in die Stratosphäre erzeugt werden. Genau das ist das erklärte Ziel des Start-Ups "Make Sunsets", um so der globalen Klimaerwärmung entgegenzuwirken.
Wir wissen einfach noch nicht genug über solares Engineering
Der Gedanke, die Erde herunter zu kühlen, indem man die Strahlungsbilanz manipuliert, wird als "Solares Geoengineering" bezeichnet und seit Jahrzehnten wissenschaftlich erforscht. Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Forschung gezeigt, dass solares Geoengineering möglicherweise die Auswirkungen des Klimawandels in den meisten Regionen der Welt reduzieren könnte, jedoch gibt es noch einige Ungewissheiten. Darüber hinaus würde die Reduzierung der Sonneneinstrahlung, die die Erdoberfläche erreicht, nicht alle Effekte der von Treibhausgasen verursachten Veränderungen kompensieren – z.B. der erhöhte Säuregehalt der Ozeane – und wäre nur ein vorübergehender Ausgleich für andere klimatische Einflüsse, wie etwa Niederschlagsmuster.
Studien weisen auch auf das Risiko hin, dass eine erhöhte Anzahl von stratosphärischen Aerosolen zu einem Abbau der Ozonschicht führen würde, die uns vor schädlicher ultravioletter Strahlung schützt, sowie auf die möglichen Veränderungen der Wettermuster in Teilen der Welt. Zudem sind die Auswirkungen von Geoengineering auf unsere Ökosysteme und die Landwirtschaft immer noch weitgehend unbekannt.
Was ist solares Geoengineering?
Das Ziel von solarem Engineering ist es, das Klimasystem der Erde zu manipulieren, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken, indem ein Teil der Sonneneinstrahlung ins All zurückreflektiert wird. Zusätzlich zu dieser beschriebenen Methode des "künstlichen Vulkans" gibt es zwei weitere Verfahren des solaren Geoengineering (Aufhellung der Meereswolken und Ausdünnung der Cirruswolken), die untersucht werden. Sie beruhen auf der Veränderung der Eigenschaften von Wolken, die nicht nur die Menge der Strahlung beeinflusst, die reflektiert wird bevor sie die Erdoberfläche erreicht, sondern auch die Menge der ausgehenden Strahlung. Die Einzelheiten in der Umsetzung und die möglichen Nebenwirkungen unterscheiden sich stark von der Methode des "künstlichen Vulkans" und bezüglich der Umsetzbarkeit gibt es noch größere Unsicherheiten.
Die Idee: Durch Wetterballone Schwefeldioxid einspritzen – und davon profitieren
Um das Konzept hinter dem Unternehmen zu beweisen, versuchte "Make Sunsets" eine kleine Menge Schwefel mithilfe eines Wetterballons in große Höhen in die Atmosphäre zu injizieren. Dieses Experiment hatte kaum Einfluss auf das Klima, denn dafür wäre vermutlich die 100 Milliarden-fache Menge nötig gewesen.
Warum gibt es also so viel Aufregung wegen ein paar kleiner fliegender Ballons? "Make Sunsets" ging davon aus, dass die Injektion funktionieren und die beabsichtigte Wirkung haben würde. Das Unternehmen hat sich in keiner Weise mit der Gesellschaft oder den betroffenen Wissenschafter*innen auseinandergesetzt, um seine Ziele zu erreichen. Darüber hinaus haben sie weitere Ballons dieser Art durch den Verkauf von "Kühlungskrediten" an die Öffentlichkeit finanziert. Dies ist nicht nur eine schlechte Idee, sondern auch eine noch nie dagewesene Provokation, die ein schlechtes Licht auf die eher vorsichtige Gemeinschaft von Forscher*innen wirft, die sich mit den Vorteilen und Risiken des solaren Geoengineering befasst haben.
Die moralischen Gefahren von solarem Geoengineering
Neben den wissenschaftlichen Ungewissheiten des solaren Geoengineerings gibt es noch weitere Risiken: So könnte das Wissen um eine zusätzliche Methode zur Behandlung der Symptome des Klimawandels die Verringerung der Treibhausgasemissionen verzögern, wenn nicht gleichzeitig geeignete Maßnahmen dafür ergriffen werden. Der Einsatz von Geoengineering ohne eine starke Reduktion der Treibhausgase könnte die Gesellschaft von einem immer stärkeren Einsatz von Geoengineering abhängig machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass solares Geoengineering keine Lösung für die Klimakrise darstellt, da es die Ursache des Klimawandels nicht bekämpft. Geoengineering kann als eine Art Schmerzmittel angesehen werden, das vorübergehend einen Teil der Klimaschäden verhindert, während wir ambitioniert Treibhausgas reduzieren und dadurch die Notwendigkeit von Geoengineering beseitigen.
Der Einsatz von Geoengineering ohne eine starke Reduktion der Treibhausgase könnte die Gesellschaft von einem immer stärkeren Einsatz von Geoengineering abhängig machen.Blaž Gasparini
Trotzdem ist es wichtig, Geoengineering zu erforschen – und die Universität Wien ist bestens dafür ausgestattet
Trotz der mit dem Geoengineering verbundenen Risiken halte ich es jedoch für klüger, diese Risiken zu verstehen und zu untersuchen, welche Rolle diese umstrittenen Methoden bei der Verminderung der Auswirkungen der Klimakrise spielen könnten und welche nicht, anstatt die Augen zu verschließen und so zu tun, als gäbe es sie nicht – und es im schlimmsten Fall Akteur*innen wie Make Sunsets zu überlassen.
Dies ist auch eine großartige Gelegenheit für die Universität Wien, die ihr breites Fachwissen in den Bereichen Umweltwissenschaften, Wirtschaft, Recht, Ethik, Geschichte usw. einbringen sollte. Der neu eingerichtete Environment and Climate Research Hub ist bestens geeignet, um ein solch vielschichtiges transdisziplinäres Problem von hoher gesellschaftlicher Relevanz anzugehen und unsere Universität an die Spitze der interdisziplinären Klimaforschung zu bringen.
Der Autor möchte sich bei Iris de Vries (Departement Umweltsystemwissenschaften, Klimaphysik, ETH Zürich), Marina Dütsch (Institut für Meteorologie und Geophysik, Uni Wien), Philip J. Rasch (Climate Scienctist, University of Washington) und Vanessa Rieger (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) für ihr konstruktives Feedback bedanken.
Er begann seine akademische Laufbahn an der ETH Zürich in der Schweiz mit einer Doktorarbeit zur Frage, ob künstliche Veränderungen von Cirruswolken das Klima abkühlen können. Nach seiner Promotion verbrachte er drei Jahre an der University of Washington in Seattle, in den USA, wo er die Auswirkung und Entwicklung tropischer Gewitterwolken auf das Klima untersuchte. Gasparini ist Mitglied im interdisziplinären Forschungsverbund Umwelt und Klima (ECH) der Universität Wien.