Die Rolle des Treibhausgases Methan im Klimawandel verstehen
Sie beschäftigen sich mit der Rolle von Methan in der Umwelt mit Fokus auf Gewässer. Welche Antworten wollen Sie mit Ihrem Projekt liefern?
Barbara Bayer: Man weiß noch nicht genau, wie viel des potenten Treibhausgases Methan aquatische Ökosysteme emittieren. Ich sehe mir an, wie es produziert und abgebaut wird. Zudem kann man in Seen oder Ozeanen häufig das sogenannte "Methan-Paradoxon" beobachten. Dabei finden sich in der oberen, sauerstoffreichen Wasserschicht erhöhte Methankonzentrationen. Das ist ungewöhnlich, hat man schließlich lange geglaubt, dass Methan nur unter Ausschluss von Sauerstoff entsteht. Man weiß noch nicht, welche Mikroorganismen dieses Methan produzieren, also für das Paradoxon verantwortlich sind. Das werde ich mir genau ansehen. Außerdem werde ich erforschen, welche Stoffwechselkreisläufe der jeweiligen Mikroorganismen für die Methanproduktion verantwortlich sind. Es gibt auch solche, die Methan abbauen. Sie bilden den sogenannten "mikrobiellen Methanfilter". Ich werde herausfinden, welche Mikroorganismen das tun.
Wie wollen Sie vorgehen?
Bayer: Unter anderem, indem ich einen weiteren Aspekt inkludiere: die Eutrophierung, also ein Übermaß an Nährstoffen in Gewässern. Viele aquatische Ökosysteme sind davon bedroht, etwa weil wir Menschen viele Nährstoffe durch Dünger einbringen. Das führt zu Algenblüten und wirkt sich wahrscheinlich auch auf die Aktivitäten von Mikroorganismen aus, die an den Prozessen im Methankreislauf beteiligt sind. Ich vergleiche unterschiedliche Ökosysteme, die wenig bis stark eutroph sind. So will ich meine These prüfen, dass sich die Eutrophierung negativ auf den Abbau auswirken könnte und so mehr Methan übrigbleibt. Falls die Eutrophierung die Methanproduktion in den Gewässern zusätzlich verstärkt, würde dieses Treibhausgas vermehrt in die Atmosphäre gelangen und den Klimawandel verstärken.
Wie sehen die ersten Schritte aus?
Bayer: Ich werde meine erste eigene Forschungsgruppe aufstellen, um diesen Fragen nachzugehen. Wir werden vor allem Feldforschung und Methanmessungen in der Umwelt durchführen, etwa am Mondsee und am Attersee. Diese Gewässer sind für meine Fragestellung besonders spannend, da der Attersee viel nährstoffärmer ist als der Mondsee, obwohl die beiden miteinander verbunden sind. Zudem sind Messungen nahe der französischen Mittelmeerküste geplant. Auf der Ostsee werden wir auch bei einer einwöchigen Ausfahrt mit unserem Kooperationspartner, dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung, Messungen durchführen. Wir werden mittels unterschiedlicher Isotopenmessungen zudem mikrobielle Methanproduktionsraten messen. Die Mikroorganismen nehmen eine Substanz auf und spalten dann in ihrem Stoffwechselprozess das Methan davon ab. Wir versehen sogenannte Vorläuferstoffe mit schweren Isotopen, etwa C-13. Wir wollen sehen: Wird davon das Methan abgespalten und wenn ja, wie schnell? Im Labor messen wir, wie viel Methan (CH4), das ja auch eine Kohlenstoffverbindung ist, mit dem schweren Isotop versetzt ist. Um herauszufinden, welche Mikroorganismen Methan abspalten, verwenden wir DNA- und RNA-Sequenzierungsmethoden.
Was bedeutet der START-Preis für Ihre Forschungstätigkeit?
Bayer: Der Preis erlaubt mir einen weiteren Schritt in die Unabhängigkeit, indem er mir ermöglicht, eine eigenständige Gruppenleiterin zu werden. Dazu werde ich drei Mitarbeitende einstellen.
START-Projekt von Barbara Bayer
Das Projekt "Microbial Methane Cycling in Aquatic Ecosystems" quantifiziert die Methanproduktion in Oberflächengewässern und identifiziert, welche Mikroorganismen daran beteiligt sind. Ein Ziel ist, ein mechanistisches Verständnis davon zu erlangen, wie sich Eutrophierung (Überdüngung) von aquatischen Ökosystemen auf die Prozesse des natürlichen mikrobiellen Methankreislaufes auswirkt.
Was motiviert Sie im Forschungsalltag?
Bayer: Ich will wissen, wie etwas wirklich funktioniert. Manchmal führt man Versuche basierend auf Vorstudien und Hypothesen durch und gelangt dann zu völlig unvorhergesehenen Ergebnissen. Ganz besonders spannend ist es, wenn diese dann unsere Sichtweise auf ein ganzes Forschungsfeld verändern und wir unser "Vorwissen" umdenken müssen.
Mehr über das START-Programm des FWF
Das Karriereprogramm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Der FWF-START-Preis ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem FWF-Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.
Die START-Preisträger*innen der Universität Wien 2023 sind die Umweltmikrobiologin Barbara Bayer, die Zell- und Entwicklungsbiologin Stephanie J. Ellis, der Mathematiker Clemens Sämann und der Physiker Marcus Sperling.
Haben Sie Vorbilder?
Bayer: Ja, zum einen Alyson Santoro von der University of California, Santa Barbara, bei der ich meinen Postdoc abgeschlossen habe. Sie ist eine erfolgreiche Ozeanografin und wunderbare Chefin. Obwohl sie als Professorin viel Verantwortung hat, kam sie mit ins Feld und nahm selbst Proben. Sie ist ein Vorbild dafür, wie ich meine eigene Gruppe leiten will. Mein aktueller Chef, Michael Wagner, hat mich dabei unterstützt, mit der Bewerbung für das START-Stipendium einen weiteren Schritt in die Unabhängigkeit zu gehen. Seinen Rat in wissenschaftlichen und strategischen Aspekten des Forscherlebens schätze ich sehr. Der Dritte ist mein Doktorbetreuer Gerhard Herndl, der zeigt, dass man in Österreich erfolgreiche Meeresforschung betreiben kann. Seine kindliche Neugier und Motivation haben auf mich abgefärbt.
Das Interview erschien ursprünglich auf scilog, dem Magazin des Wissenschaftsfonds FWF.