Corona

Die psychischen Auswirkungen der Pandemie

20. September 2022 von Christina Alma Emilian
Was macht die Pandemie mit unserer Psyche? Ein Team rund um die Psychotraumatologin Brigitte Lueger-Schuster von der Universität Wien hat zwei Jahre lang die psychische Verfassung von Menschen aus Österreich dokumentiert. Die aktuell veröffentlichte Studie zeigt: In Österreich nahmen während der COVID-19-Pandemie psychische Probleme zu.
Wie ging es den Menschen in Österreich während der COVID-19 Pandemie? Brigitte Lueger-Schuster und ihr Team von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien haben das erforscht. © whoismargot/Pixabay

Die psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie hat wohl schon jeder von uns einmal gespürt: Egal ob durch soziale Isolation während der Lockdowns, durch Geldsorgen während der Kurzarbeit oder durch Überlastung während des Homeschoolings. Nun konnte in einer Studie an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien erstmals quantifiziert werden, wie sich die psychische Gesundheit in der österreichischen Allgemeinbevölkerung während der Pandemie verändert hat. Die Ergebnisse zeigen: Symptome von Depressionen, Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Angststörungen und Anpassungsstörungen sind häufiger geworden. Auch Bewältigungsstrategien, also die Art, wie Menschen mit den Herausforderungen der Pandemie umgehen, haben sich verändert: Mit der Zeit waren immer weniger Menschen imstande, mit den Problemen und Veränderungen, welche Corona mit sich brachte, konstruktiv umzugehen. 

Vier Befragungen über zwei Jahre 

Zwei Jahre lang hat das Team um die Psychotraumatologin Brigitte Lueger-Schuster von der Universität Wien die psychische Verfassung von rund 250 in Österreich lebenden Menschen dokumentiert. Insgesamt viermal – jeweils im Sommer und im Winter 2020 und 2021 – beantworteten die 21- bis 81-jährigen Studienteilnehmer*innen dabei Fragen zu ihrer Gefühlslage und ihren Bewältigungsstrategien. "Wir wollten mit der Studie keine 'Momentaufnahme' machen, sondern nachzeichnen, wie sich die psychische Gesundheit der Menschen in Österreich über die verschiedenen Phasen der Pandemie hinweg verändert hat", betont die Psychologin.

Der Prozentsatz der Bevölkerung, die während den vier Erhebungspunkten Symptome der jeweiligen Erkrankungen angaben, schwankte dabei erheblich:  Zwischen 13.1 und 18.6 Prozent der Befragten zeigten Anzeichen von Depressionen, zwischen 0.5 und 7.7 Prozent von PTBS, zwischen 10.9 und 22.7 Prozent von Angststörungen und zwischen 10.5 und 20.9 Prozent von Anpassungsstörungen. Dabei waren zwei klare Trends erkennbar: Einerseits waren die Symptome aller Krankheitsbilder jeweils in den zwei Winterperioden deutlich häufiger verbreitet als in den Sommermonaten. Zweitens konnte im Laufe der Pandemie eine Verschlechterung der Krankheitssymptome beobachten werden: Im zweiten Jahr waren sie ausgeprägter als im ersten. So waren bei der letzten Erhebung PTBS, Depressionen und Angststörungen seit Beginn der Pandemie am stärksten verbreitet. Insgesamt waren Frauen bei allen Krankheitsbildern dabei häufiger betroffen als Männer, besonders deutlich konnte dieser Unterschied bei Angststörungen beobachtet werden. 

Abnahme von Bewältigungsstrategien 

Gleichzeitig nahm das Ausmaß, in dem die Befragten angaben, gezielt Bewältigungsstrategien zu ergreifen, um mit der Pandemie besser umzugehen, deutlich ab. Während die Befragten am Anfang der Pandemie noch eher darauf achteten einen gesunden Lebensstil zu führen, einer geregelten Tagesstruktur nachzugehen, den Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung zu folgen und erfreulichen Tätigkeiten nachzugehen, wurden diese Verhaltensweisen mit dem Fortschritt der Pandemie weniger. Interessanterweise nutzten mehr Frauen als Männer solche Bewältigungsstrategien, ganz unabhängig vom Befragungszeitpunkt. Dies war vor allem bei dem Führen eines gesunden Lebensstils und dem Verfolgen einer Tagesstruktur zu beobachten, wo die Unterschiede zwischen Männern und Frauen signifikant waren.

Mehr Aufklärung über psychische Gesundheit notwendig 

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen den Bedarf an psychosozialer Unterstützung von Betroffenen, vor allem in den Wintermonaten. "Durch unsere Studie wissen wir, dass es den Menschen zunehmend schlechter geht – vor allem im Winter und verstärkt den Frauen. Unser Ziel muss es sein, an betroffene Menschen heranzutreten und ihnen zu helfen, bevor sie in eine Abwärtsspirale kommen", sagt Lueger-Schuster. "Zuständige Stellen sollten auf jeden Fall darauf achten, Informationen bereitzustellen, wie die Herausforderungen der Pandemie am besten bewältigt werden können. Auch Informationen wo, wie und wann Betroffene Unterstützung bekommen können, sollten der Bevölkerung einfach zugänglich gemacht werden."

Mehr Informationen zum Projekt

Die European Society for Traumatic Stress Studies (ESTSS) hat das Projekt "ADJUST Study Stressors, coping and symptoms of adjustment disorder in the course of COVID-19 pandemic" ins Leben gerufen. In diesem Forschungsprojekt, welches in 11 europäischen Ländern durchgeführt wird, werden längerfristige Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit untersucht. Das Ziel ist es, pandemiebedingte Belastungen sowie Risiko- und Schutzfaktoren, die für die Anpassungsleistungen der Bevölkerung während der Pandemie relevant sind, in mehreren Erhebungswellen zu erfassen.

© Petra Schiefer
© Petra Schiefer
Brigitte Lueger-Schuster ist Professorin für Psychotraumatologie am Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie der Universität Wien. Sie forscht zu den Themen psychosoziale Folgen von traumatischem Stress, Bewältigungsstrategien und Resilienz.
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1,2 Millionen Menschen in Österreich sind von psychischen Erkrankungen betroffen, Geflüchtete und Asylwerber*innen haben ein besonders hohes Risiko. Die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster entwickelt mit ihrem Team ein Programm, um die psychosoziale Versorgung afghanischer Flüchtlinge zu verbessern.