Maßnahmen und Bremser im Kampf gegen die Klimakrise
Im Pariser Klimavertrag von 2015 wurde das Ziel festgeschrieben, den globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad, gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. In den vergangenen Jahren wurde dieses globale Ziel in nationale Klimaziele übersetzt. Obwohl viele Staaten hierbei scheinbar ehrgeizige Klimaziele verfolgen und Klimaneutralität anstreben – Österreich etwa bis 2040 – wird das 1,5-Grad-Limit auf globaler Ebene, alle nationale Klimaziele zusammengenommen, noch immer klar überschritten.
Bei der 27. Klimakonferenz in Scharm el-Scheich (Ägypten) im November wird es darauf ankommen, ob diese sogenannte Emissionslücke durch die Nachjustierung nationaler Klimaziele verringert werden kann. Um das 1,5-Grad-Limit nicht zu überschreiten, braucht es tiefgreifende Maßnahmen – wie einen Förderungs- und Verbrennungsstopp fossiler Brennstoffe wie Kohle, Gas oder Erdöl. Auf solche dringend nötigen Beschlüsse, die zu einer raschen Emissionssenkungen beitragen würden, wartet man bisher vergebens.
Ein weiteres zentrales Thema ist die schleppende Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an die Folgen der Klimakrise und die unzureichenden finanziellen Zusagen hierfür. Jene Länder, die bereits jetzt massiv von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, fordern, dass die Anpassung an den Klimawandel als globale Herausforderung anerkannt und nicht allein als nationales oder regionales Problem betrachtet wird.
Förderung von fossilen Brennstoffen muss umgehend aufhören
Darüber hinaus wird es auch um das Thema "Loss and Damage" gehen – also die Frage, inwieweit jene Länder, die historisch die Hauptverantwortung für den Klimawandel tragen, auch für die damit verbunden Schäden haften und Entschädigung zahlen sollen. Solche Initiativen wurden in der Vergangenheit immer wieder von den Industrieländern, insbesondere den USA, blockiert. Selbst bei der Klimafinanzierung, bei der die Industrieländer ab 2020 eigentlich 100 Milliarden US-Dollar jährlich zur Verfügung stellen sollen, bleiben die Zusagen bislang unzulänglich.
Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, wären aber noch weitaus größere Anstrengungen zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft erforderlich. So hat die Internationale Energiebehörde erklärt, dass ab diesem Jahr keine neuen fossilen Brennstoffe mehr gefördert werden dürften, wenn die Welt den Grenzwert von 1,5°C einhalten will. Gleichzeitig werden jedoch immer mehr Projekte zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder begonnen – und das nicht erst seit der aktuellen Energiekrise.
Energiekrise verlangsamt weltweiten Klimaschutz
Allein die Großteils schon vor der Energiekrise geplanten Projekt würden zu CO2-Emissionen führen, die das verbleibende globale Emissionsbudget deutlich übersteigen (Paper zu Emisionsbudget Alina Brad). Notwendig wäre stattdessen, den Lock-in fossiler Infrastruktur und Technologien, das heißt die Bindung gesellschaftlicher Investitionen und Ressourcen aufzubrechen. Doch angesichts der Energiekrise haben sich die Subventionen für fossile Energieträger weltweit verdoppelt. Das dürfte ohnehin die schleppenden Anstrengungen auf der Klimakonferenz erschweren, sich auf internationaler Ebene auf einen Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger zu einigen.
Auch die zunehmenden geopolitischen Spannungen stellen die internationale Klimapolitik vor neue Herausforderungen. Länder neigen dazu, die Klimakrise durch eine engere Linse der nationalen Sicherheit zu betrachten. Die Energiehandelsbeziehungen, die aktuell neu verhandelt werden und erheblich die Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen, sind ein Beispiel dafür. Zudem werden die mit der russischen Invasion in der Ukraine zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen dem Westen einerseits und Russland und China andererseits die Verhandlungen in Scharm el-Scheich überschatten.
Mehr zu Alina Brads FWF-Foschungsprojekt
Alina Brad forscht zum Thema Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre. Konkret untersucht sie in ihrem FWF-geförderten Projekt, ob aktuelle Klimaschutzanstrengungen aufgrund dieser Technologien als weniger dringend erscheinen und somit verzögert oder abgeschwächt werden. Das Projekt wird von Jänner 2023 für eine Dauer von vier Jahren mit einem Fördervolumen von € 340.000 im Rahmen des Elise-Richter-Programms gefördert.
CO2-Entnahme: Klimarettung oder Bremse für Klimapolitik?
Auch angesichts dieser schwierigen Lage der internationalen Klimapolitik gehen viele Klimawissenschafter*innen davon aus, dass sich das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichen lässt und Kipp-Punkte im Klimasystem unweigerlich überschritten werden. Infolgedessen nimmt in der internationalen Klimadebatte die Diskussion um Methoden zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre (sogenannte "Carbon Dioxid Removal Technologies") Fahrt auf. Damit gewinnt auch die Vision langfristiger negativer Nettoemissionen zunehmend an Bedeutung: Die Annahme ist, dass die globale Erhitzung nur noch dann langfristig auf 1,5-Grad begrenzt werden kann, wenn in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts auf globaler Ebene ein negativer CO2-Ausstoß erreicht wird.
In meiner aktuellen Forschung beschäftige ich mich mit einer wichtige Frage in diesem Zusammenhang: Lässt die Erwartung, dass solche Technologien zur Entfernung von CO2 künftig in großem Maßstab zur Verfügung stehen werden, aktuelle Klimaschutzanstrengungen weniger dringend erscheinen und werden diese dadurch verzögert bzw. abgeschwächt (sogenanntes "Mitigation Deterrence")? In einem vom FWF geförderten Projekt werde ich untersuchen, ob und wie sich solche Verzögerungsprozesse in der EU-Klimapolitik beobachten lassen. Damit möchte ich die Forschung zur CO2 Entnahmetechnologien politikwissenschaftlich erweitern und ein Beitrag dazu leisten, dass weitere Verzögerungen in der Klimapolitik verhindert werden.