Neues Exzellenzcluster

Wie Mikrobiome die Gesundheit unseres Planeten beeinflussen

13. März 2023 von Redaktion
Microbiomes drive Planetary Health: Unter diesem Titel bündeln 30 Wissenschafter*innen um den Uni Wien-Mikrobiologen Michael Wagner ihre Kompetenzen. Gemeinsam möchten sie erforschen, wie Mikrobiome – spezifische Gemeinschaften von Mikroorganismen, die alle Ökosysteme, Tiere, Pflanzen und den Menschen besiedeln – die Gesundheit unseres Planeten steuern.
Im Video-Interview beschreibt Michael Wagner die Ziele des neuen Exzellenzclusters "Microbiomes drive Planetary Health" und beantwortet die aktuelle Semesterfrage der Universität Wien.

Bakterien, Archaeen, Viren, Pilze und Protozoen machen als "Mikrobiom" gemeinsame Sache: Sie bilden die Grundlage der Biosphäre, regeln die globalen Stoffkreisläufe, reinigen Wasser und Luft, beeinflussen unser Klima und helfen uns bei der Nahrungsmittelproduktion.

Mikroben besiedeln jede Nische in und auf den Körpern von Pflanzen und Tieren. Die mikrobiellen Gemeinschaften sind auch Teil des menschlichen Körpers und unter anderem in unserem Darm zu Hause. Dort können sie Krankheiten vorbeugen, die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen, das Körpergewicht regulieren und unser Verhalten (mit-)steuern.

Wie genau diese winzig kleinen Mikroben dies tun, wie sie ticken, miteinander und anderen Organismen interagieren, und wie sie auf Störungen reagieren ist bisher nur bruchstückhaft erforscht.

Sieben Forschungseinrichtungen, ein Ziel: "Das Mikrobiom verstehen"

Um diese Forschungslücken zu schließen, kooperieren im Rahmen des Projekts "Mikrobiomes drive Planetary Health", das sich aktuell im hochkompetitiven Exzellenzzentren Programm des FWF durchsetzen konnte, 30 Wissenschafter*innen verschiedener Fachgebiete. "Wir freuen uns sehr, dass wir die Gelegenheit erhalten, mit unserem Vorhaben die Mikrobiomforschung und die Forschung zur planetaren Gesundheit – zwei der wichtigsten Forschungsbereiche des 21. Jahrhunderts – zusammenführen und weiterentwickeln", betont Michael Wagner, Scientific Director des neuen Clusters.

Neben der Universität Wien sind das Austrian Institute of Technology (AIT), das Institute of Science and Technology Austria (ISTA), die Medizinische Universität Graz, die Österreichische Akademie der Wissenschaften mit dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM), die Technische Universität Wien und die Johannes Kepler Universität Linz mit an Bord.

"In unserem Exzellenzcluster schaffen wir völlig neue Synergien, indem wir die Grenzen zwischen roter und grüner Mikrobiomforschung in Österreich auflösen und somit direkt Medizin mit Umweltforschung verknüpfen", fasst der Mikrobiologe die Projektziele zusammen: "Wir wollen die Grundprinzipien von Mikrobiomen verstehen lernen, um dann durch deren Modellierung und gezielte Beeinflussung die planetare Gesundheit zu stärken."

Collage aller 30 am Cluster of Excellence beteiligten Wissenschafter*innen in Puzzleform
30 Forscher*innen aus verschiedenen Disziplinen und Institutionen haben sich zum Ziel gesetzt, das Verständnis des globalen Wandels und Lösungen für eine nachhaltige Zukunft entscheidend voran zu bringen. Mit ihrem ambitionierten Vorhaben konnte sich das Team im kompetitiven Exzellenzzentren-Programm des FWF durchsetzen. © Collage; Fotos: Ludwig Schedl
Wir sind entschlossen, gemeinsam einige der drängendsten Fragen der planetaren Gesundheit aus der Perspektive des Mikrobioms anzugehen.
Michael Wagner

Für eine nachhaltige Zukunft

Michael Wagner und seine Kolleg*innen am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien haben in Österreich Pionierarbeit im Bereich der Funktionsanalyse von Mikrobiomen geleistet und bereits bahnbrechende Erkenntnisse gewonnen. So gelang ihnen 2015 mit der erstmaligen Beschreibung der Comammox-Bakterien ein großer Coup: Die Entdeckung dieser ungewöhnlichen Ammoniakfresser sorgte für ein Umdenken in der mikrobiologischen Forschung zum Stickstoffkreislauf und eröffnete neue Ansätze für eine nachhaltigere Landwirtschaft und Abwasserreinigung (lesen Sie mehr dazu im aktuellen Beitrag "Forschen für die nächste Stickstoffrevolution").

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Mikroorganismen
Petra Pjevac, Holger Daims, Michael Wagner und ihre Teams haben es auf Mikroben abgesehen: An der Uni Wien erforschen sie, wie die winzigen Organismen funktionieren und interagieren. Sie könnten der Schlüssel für eine "Stickstoffrevolution" sein: eine neue Lösung, um gefährliche Stickstoffverluste in der Landwirtschaft einzudämmen und die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren – ohne dabei dem Planeten zu schaden.

Mit der Task Force zur Planetary Health gehen sie einen Schritt weiter: Wenn es den Forscher*innen gelingt, gemeinsame Grundprinzipien der Interaktionen und Störungsantworten von Umwelt-Mikrobiomen und Mikrobiomen des Menschen zu entschlüsseln, kann der globale Wandel genauer vorhergesagt werden und gleichzeitig die Mikrobiome – im Dienst der Gesundheit des Menschen und der Umwelt – gezielt beeinflusst werden. "Dies ist unerlässlich, um die Erde in eine nachhaltigere Zukunft zu navigieren", so die Einschätzung Michael Wagners. (red)

Universität Wien erfolgreich im Exzellenzzentren-Programm des FWF

Neben dem Cluster of Excellence "Microbiomes drive Planetary Health" ist die Universität Wien auch an den weiteren vier bewilligten Clustern "Quantum Science Austria" der Universität Innsbruck, "EurAsian Transformations (EurAsia)" der ÖAW, "Materials for Energy Conversion & Storage (MECS)" der TU Wien sowie "Knowledge in Crisis der CEU" mit zahlreichen Wissenschafter*innen beteiligt.

"Die Clusters of Excellence zeigen, wie breit exzellente Forschung an der Universität Wien aufgestellt ist. Die Beteiligung der Universität Wien an allen fünf bewilligten Clustern unterstreicht die Forschungsleistung unserer Wissenschafter*innen über Universitätsgrenzen hinweg", so Rektor Sebastian Schütze.

Weitere Infos zu allen bewilligten Exzellenzclustern

© Ludwig Schedl
© Ludwig Schedl
Michael Wagner ist mehrfach ausgezeichneter Professor für mikrobielle Ökologie (darunter ERC-, Schrödinger- und Wittgenstein-Preis) und stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien, dem er als Gründungsdirektor vorstand.

Geboren 1965 in München, studierte und promovierte er an der TU München und arbeitete anschließend als Postdoc an der Northwestern University, Evanston, USA. Danach kehrte er an die TU München zurück, wo er sich 2000 habilitierte und bis 2002 die Arbeitsgruppe "Mikrobielle Ökologie" leitete. Seit 2003 ist er Professor an der Universität Wien. Auf Twitter ist er unter @MichiWagner4 zu finden.