Rudolphina Roadtrip

Leopold Figl-Observatorium: Astrophysik im Wienerwald

28. August 2023 von Sophie Hanak
Diesen Sommer nimmt euch die Rudolphina mit auf einen Roadtrip: Wir besuchen die Außenstellen der Uni Wien. Diesmal geht es in den westlichen Wienerwald, zum Sterne schauen.
Animation einer Österreich-Landkarte mit eingezeichneten Außenstellen der Uni Wien, die Fahrt von Haidlhof zum Leopold Figl Observatorium wird dargestellt.

Der Schöpfl ist mit seinen 893 m der höchste Berg im Wienerwald und ein beliebtes Ausflugsziel. Auf seinem Nebengipfel, dem Mitterschöpfl, liegt die Außenstation des Instituts für Astrophysik der Uni Wien, das Leopold Figl-Observatorium für Astrophysik, der nächste Halt unserer Sommerserie.

Weil schlechtes Wetter angesagt ist, lassen wir die Wanderung zum Gipfel heute ausfallen und treffen Werner Zeilinger, den wissenschaftlichen Leiter des Observatoriums, am Fuße des Mitterschöpfls. Die holprige Forststraße, die bis zum Observatorium führt, darf nur mit Bewilligung befahren werden; am Ende der Straße sehen wir schon auf einer Lichtung die weiße Kuppel der Sternwarte – sie beherbergt das größte optische Spiegelteleskop Österreichs, mit dem vor allem "transiente Objekte" im Universum  beobachtet werden – das sind Sterne und Galaxien, aber auch Kleinkörper im Sonnensystem wie Asteroiden oder Kometen, die ihre Helligkeit verändern.

"Wie bei allen Observatorien steht das Teleskop auf einem eigenen Fundament, vollkommen getrennt vom Gebäude. Das Bauwerk wurde also praktisch um das Teleskop herumgebaut. So werden keine Vibrationen auf das Teleskop übertragen und die Aufnahmen nicht verwackelt", erklärt uns Zeilinger. Das Teleskop selbst befindet sich im dritten Stock, in zehn Metern Höhe: "Damit wird verhindert, dass die Aufnahmen durch Luftturbulenzen beeinträchtigt werden." Denn tagsüber, wenn die Sonne scheint, heizt sich der Boden um das Observatorium herum auf und speichert Wärme, die am Abend wieder abgegeben wird. Diese warme Luft steigt auf und es entsteht ein Flimmern, das die Aufnahmen unscharf machen würde.
 

Geschichte

Schon im 14. Jahrhundert gab es in Wien das erste Observatorium, und zwar auf jenem Gebäude, in dem sich heute die Akademie der Wissenschaften befindet. Diese erste Sternwarte war im Grunde ein Holzturm, von wo aus man ohne Hilfsmittel, also mit freiem Auge, astronomische Beobachtungen durchführte.  Im 19. Jahrhundert  wurde der Standort aufgrund der Lichtverschmutzung in den heutigen 18. Bezirk (damals noch ein Vorort von Wien) verlegt: Die Universitätssternwarte wurde 1882 in Gegenwart von Kaiser Franz Joseph I. feierlich eröffnet und ist noch heute das größte Sternwarte-Gebäude Europas. 
Die Außenstation auf dem Mitterschöpfl war ein gemeinschaftliches "Geburtstagsgeschenk"  des Landes Niederösterreich und des Bundes zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Wien im Jahr 1965. Der Grundstein für die Errichtung des Leopold Figl-Observatoriums für Astrophysik wurde am 13. September 1966 gelegt, eröffnet wurde es schließlich am 25. September 1969. Namensgeber ist der ehemalige Bundeskanzler und niederösterreichische Landeshauptmann Leopold Figl.  

Teleskop kann von Wien aus gesteuert werden

Nun steigen wir hinauf in den dritten Stock und stehen mitten in der rund 80 m2 großen Kuppel, wo sich verschiedene astronomische Geräte und das Herzstück, das Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 1,5 Meter befindet. Die Optik des Teleskopes ist ein Ritchey-Chrétien System, das Beobachtungen in einem großen Bildfeld ermöglicht. "Bis zum Jahr 2000 wurden alle Beobachtungen direkt hier am Teleskop durchgeführt", erzählt der Astrophysiker und zeigt auf die Beobachtungsplattform, die wir über eine steile Stiege betreten. Wenn nötig, konnten die Wissenschafter*innen dann auch direkt in den dafür vorgesehenen Zimmern der Sternwarte übernachten. Am Observatorium gibt es drei Nächtigungräume und entsprechende Aufenthaltsräume.

"Der Ablauf war normalerweise so, dass das Beobachtungsteam am Nachmitag/Abend zum Observatorium gefahren ist, die Beobachtungen durchgeführt hat, dann bis zum späten Vormittag/frühen Nachmittag geschlafen hat und dann wieder nach Wien zurückgefahren ist. Nur in Ausnahmefällen ist das Team längere Zeit am Observatorium geblieben“, erzählt Zeilinger. Später wurde der Beobachtungsbetrieb automatisiert, so dass nun alles Nötige von Wien aus gesteuert werden kann.
 

Schon allein aufgrund des Standorts und auch der Meteorologie ist es natürlich schwierig, dass das Teleskop hier am Schöpfl mit den internationalen Teleskopen, wie etwa jenen der Europäischen Südsternwarte in Chile, mithalten kann. "Wir versuchen dies dadurch zu kompensieren in dem wir uns auf Beobachtungsprogramme spezialisieren, die keine ausgezeichneten Beobachtungsbedingungen bedürfen und die mehr Beobachtungszeit benötigen, als man normalerweise auf internationalen Großteleskopen bekommt (z.B. Langzeitprogramme zum Monitoring veränderlicher Objekte, Transitbeobachtungen von Exoplaneten),“ sagt Zeilinger.

So hat das Teleskop auch eine wesentliche Funktion im Rahmen des Astronomiestudiums. Im Rahmen von Praktika können so Studierende Erfahrungen mit einem modernen Teleskopbetrieb sammeln und lernen wie ein Beobachtungsprogramm definiert wird und was alles bei der Auswertung der Beobachtungsdaten zu beachten ist. "Bei den internationalen Großteleskopen ist es normalerweise üblich, dass die Beobachtungszeiten Semesterweise vergeben werden, d.h. wenn ich einen Beobachtungsantrag stelle, werden die Beobachtungen erst in einem halben Jahr gemacht (sofern der Antrag überhaupt bewilligt wird). Bei unserem Teleskop sind die Zeiten wesentlich kürzer, da die Beobachtungszeiten flexibel monatlich eingeteilt werden und so auch kurzfristig Beobachtungen gemacht werden können – das ist ein großer Vorteil“, so Zeilinger.

Ausreichend Zeit zu forschen

Wenn man als Astrophysiker*in etwas braucht, dann Geduld. Die Teams am Institut für Astrophysik der Uni Wien beschäftigen sich u.a. mit den "veränderlichen Objekten" im Universum, wie etwa Supernovaexplosionen, sie beobachten den Transit von Exoplaneten – also Planeten, die andere Sterne als unsere Sonne umkreisen.

"Generell benötigen diese Bedeckungen von Sternen durch Exoplaneten viel Beobachtungszeit, da solche Transite mehrere Stunden dauern können und es wichtig ist, möglichst den gesamten Transit durch Beobachtungsdaten abzudecken“, erklärt Werner Zeilinger. Hierbei misst man den geringen Helligkeitsabfall des Sternes wenn der Planet auf seiner Umlaufbahn die Sichtlinie mit der Erde kreuzt. Aus den Beobachtungsdaten der Transitbeobachtungen lassen sich dann Rückschlüsse ziehen über die Art, die Größe des Planeten, oder die Entfernung des Planeten zu seinem Stern. 


Besonders spannend ist die Suchen nach erdähnlichen Planeten. Das ist in den unendlichen Weiten unseres Universums natürlich nicht so einfach und kann laut Zeilinger nur glücken, wenn man weiß, wonach man suchen muss. "Früher ging man davon aus, dass die meisten Planetensysteme so aussehen wie unseres. Heute wissen wir jedoch, dass unser Planetensystem atypisch ist; wir haben tatsächlich bisher kein direkt vergleichbares gefunden. Beispielsweise sind unsere Planeten ungewöhnlich verteilt: Die Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars befinden sich in Sonnennähe, die Gasplaneten Saturn, Uranus und Neptun sind weiter entfernt. In den meisten anderen bekannten Systemen haben alle Planeten ungefähr die gleiche Masse. Außerdem haben viele Planetensysteme Doppelsterne oder sogar drei Sterne", so Zeilinger, der selbst v.a. zum kosmischen Materiekreislauf und zu dunkler Materie forscht.

Der Leiter des Observatoriums
Werner Zeilinger interessieren kosmische Prozesse, die über eine reine Interpretation der Beobachtungsdaten hinausgehen. © Sophie Hanak

Das Wetter muss mitspielen

Beim Plaudern über unsere Planeten müssen wir immer wieder die Stimmen erheben: Wenn draußen der Wind um die Kuppel rauscht, klingt das hier im Inneren ganz schön laut. Werner Zeilinger hat hier schon mal Windstärken von 70-80 km/h miterlebt, "da hat man schon das Gefühl, gleich fällt alles auseinander". Dass die Kuppel abhebt, kann aber nicht passieren: Zwar hält sie nur ihr eigenes Gewicht auf dem Gebäude, schließlich muss sie sich ja drehen, aber sie wiegt stattliche 40 Tonnen.

Sinnvoll beobachten kann man allerdings ab 80 km/h nicht mehr, dann sind die vom Wind auf das Teleskop übertragenen Vibrationen zu hoch, in Wien erkennen das die Forscher*innen daran, dass die Aufnahmen unscharf sind. Insgesamt ist der Mitterschöpfl aber zum Glück kein besonders windiger Standort – "schwieriger ist es mit der Luftfeuchtigkeit: Alles über 90 Prozent beeinträchtigt die Beobachtungen", da die Gefahr besteht, dass die Feuchtigkeit auf den optischen Flächen kondensiert, erklärt Zeilinger. Das Wetter ist für einen Astrophysiker also immer ein Thema.

Sternschnuppen zur Nachspeise

Auf dem Weg nach unten betrachten wir die Bilder und Fotos aus früheren Zeiten, die im Stiegenhaus angebracht sind, auch eines von Werner Zeilinger gemeinsam mit seinem Namensvetter, dem Nobelpreisträger Anton Zeilinger, ist dabei – und nein, die beiden sind nicht  miteinander verwandt.

Im zweiten Stock bekommen wir noch eine Führung durch die Büros und die Zimmer, in denen die Wissenschafter*innen früher übernachten konnten. Hier scheint es fast, als wäre die Zeit stehengeblieben, die Einrichtung aus den 1970er Jahren erscheint heute fast schon wieder modern. "Heute ist es nicht mehr nötig, in der Sternwarte zu übernachten, eigentlich sind wir nur etwa einmal im Monat hier, um notwendige Wartungsarbeiten durchzuführen",  erklärt Werner Zeilinger. Dass die Wissenschaftler nicht mehr vor Ort sind hat Vor- und Nachteile und ist letztlich eine Frage der Kapazitäten. "Das Berufsbild hat sich über die letzten Jahrzehnte sehr stark geändert. Konnte man noch bis in die 90-iger Jahr sehr forschungsorientiert arbeiten, muss man heute einen Spagat zwischen Forschung, Lehre, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit machen. Wir müssen heute mit knappen, personellen Ressourcen zurechtkommen, daher ist ein remote-Betrieb von Wien aus die (kosten-) effizienteste Lösung,“ so Zeilinger. 

In die Zukunft blickt Werner Zeilinger mit Zuversicht: "Wir leben im goldenen Zeitalter der Astrophysik! Sowohl die Beobachtungstechnik als auch die theoretische Astrophysik hat in den letzten Jahrzehnte ungeahnte Fortschritte gemacht, die noch zu meiner Studentenzeit als unmöglich galten, etwa die Beobachtung von Exoplaneten, Nachweis dunkler Materie und dunkler Energie, massereiche schwarze Löcher in Galaxienkernen. Wenn es erdähnliche Planeten in der habitablen Zone von Sternen tatsächlich gibt, so wird absehbar sein in den nächsten Jahrzehnten einen Beobachtungsnachweis dafür zu erbringen“. 

Zum Abschluss lassen wir den Tag noch bei einem guten Essen im Gasthaus Schilling in Laaben ausklingen. Später, als es dunkel war und sich die Wolken verzogen hatten, haben wir noch unser Glück versucht und die Perseiden beobachtet und tatsächlich einige Sternschnuppen erspähen können.

Rudolphina Roadtrip zum Schöpfl

  • Der Aufstieg auf den Schöpfl ist von mehreren Ausgangspunkten möglich: Brand- Laaben, St. Corona, Schöpflgitter, Wöllersdorf, Kaumberg, Klausenleopoldsdorf, Preßbaum oder Rekawinkel.
  • Von Wien Hütteldorf gelangt man direkt mit dem Bus 145 nach Brand Laaben. Dort findet   man auf dem Hauptplatz, gleich gegenüber vom Landgasthof zu Linde, eine Wanderkarte, die Informationen über die verschiedenen Wandermöglichkeiten auf den Schöpfl, gibt. Eine beliebte Route führt zuerst über wunderschöne Wiesen, durch alte Bauernhöfe und sogar an Islandpferden vorbei: Schöpfl – Schöpfl-Schutzhaus Runde von Laaben
  • Oben angekommen kann man sich im Schöpf Schutzhaus stärken und von der nahe gelegenen Matras Warte hat man einen tollen Rundum-Ausblick. Vom Schöpfl-Schutzhaus bis zur Sternwarte sind es dann noch ca. 20 Minuten.
  • Für größere Gruppen und Schulklassen gibt es die Möglichkeit eine Führung im Leopold Figl-Observatorium für Astrophysik zu buchen. Nächtliche Beobachtungen sind jedoch nicht möglich. 
  • Eine Möglichkeit, die Wissenschafter*innen des Leopold Figl-Observatoriums für Astrophysik kennen zu lernen, gibt es beim Forschungsfest Niederösterreich am 22. September 2023 im Palais Niederösterreich.
  • Auch bei der Langen Nacht der Forschung ist das Leopold Figl-Observatorium für Astrophysik dabei und hat eine Station im Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg.
© Werner Zeilinger
© Werner Zeilinger
Werner Zeilinger ist ao. Universitätsprofessor am Institut für Astrophysik der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Leopold Figl-Observatoriums für Astrophysik. Er forscht insbesondere zur Entstehung und Entwicklung von Galaxien, dem kosmischen Materiekreislauf und zu Dunkler Materie – sie interessiert ihn insbesondere, weil die Forschung hier auf indirekte Informationen angewiesen ist und die Interpretation der Messung relevant ist.

Seit 2015 koordiniert Werner Zeilinger die Beiträge der österreichischen Forschung für das Extremely Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO), das im Jahr 2027 in Betrieb genommen wird.