Kommunikationswissenschaft

Vertrauen in die Medien zurückgewinnen

21. Februar 2024 von Hanna Möller
Nachrichten haben aktuell einen schlechten Stand – dabei sind sie wichtiger Bestandteil des demokratischen Zusammenlebens. Damit die Berichterstattung relevant bleibt, untersuchen Kommunikationswissenschafter*innen der Uni Wien die Erwartungen des Publikums. Was macht "gute" Nachrichten eigentlich aus?
Gute Nachricht(en:) Kommunikationswissenschafter*innen an der Uni Wien untersuchen die Erwartungen der Leser*innen an die Berichterstattung. "Wir nehmen die Bedürfnisse des Publikums wirklich ernst und können so einen Gegenpol zu der bisherigen Forschung bieten, die häufig aus normativer Sicht darüber urteilt, ob eine gewisse Nachrichtennutzung 'gut' oder 'schlecht' ist", so Folker Hanusch. © iStock

Schlechte Stimmung nach Medienkonsum? Bei den derzeit herrschenden Vielfachkrisen kein Wunder. Das Phänomen trägt einen Namen, News Avoidance, und lässt sich "aktuell überall beobachten", erklärt uns Nikolaus Wimmer vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien. Gerade in schwierigen Zeiten verursache der konstante Nachrichtenfluss ein Gefühl der Überforderung und führe dazu, dass wir die Berichterstattung meiden. Dazu komme ein generelles schwindendes Vertrauen in die Mainstream-Medien.

Ohne Informationen keine Demokratie

Sophie Lecheler, Professorin für Politische Kommunikation an der Universität Wien, stuft diese Entwicklung als "besorgniserregend" ein, schließlich habe die Auseinandersetzung mit Nachrichten demokratische Relevanz: Forschungen zeigen deutlich, dass Medienkonsum und politisches Engagement in einem Zusammenhang stehen. Und ausgewogene Informationen bleiben die Grundlage dafür, (Wahl-)Entscheidungen treffen zu können. "Dass jeder von uns Nachrichten einmal vermeiden mag, ist natürlich normal. Wenn Menschen aber völlig aus dem Nachrichtenkonsum aussteigen, dann stellt sich die Frage, wo sich diese Menschen über wichtige Entscheidungen, wie zum Beispiel die Stimme bei der Nationalratswahl, informieren", so Lecheler. 

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Demokratie funktioniert nur, wenn Bürger*innen informierte Entscheidungen treffen können. Doch was, wenn der Newsfeed so personalisiert ist, dass niemand mehr so genau weiß, was wir eigentlich vorgesetzt bekommen – und von wem? Sophie Lecheler und ihr Team an der Uni Wien nutzen Experimente und "Datenspenden", um zu sehen, was die User*innen sehen – und politische Diskurse in Zeiten der Digitalisierung zu verstehen.

Making news great again

Doch damit Nachrichten wieder attraktiver werden, müssen wir erstmal wissen, was sich das Publikum von guter Berichterstattung erwartet – und sich für den eigenen Newsfeed wünscht. Gemeinsam mit Sophie Lecheler und ihrer Forschungstruppe hat das Rudolphina Magazin das Good News Project ins Leben gerufen und auf den Uni Wien-Kanälen gefragt: Was verstehen Sie eigentlich unter "guten" Nachrichten?

Geantwortet haben rund 500 Personen, hauptsächlich junge Menschen zwischen 13 und 28 Jahren. Die Datenspender*innen schickten Links zu ihren Top-Beiträgen, die von einer Aufforstungskampagne im Amazonas-Regenwald handelten, die Arbeit von Ibiza-Video Produzenten Julian Hessenthaler schilderten oder über Frontlinienbewegungen in der Ukraine berichteten. Doch auch heitere Nachrichten, wie z.B. die Wahl zum Jugendwort des Jahres, waren im Datenmaterial zu finden, so Nikolaus Wimmer, der bei der Auswertung des Good News Project federführend ist.

Vertrauen, sichere Faktenlage und journalistische Kompetenz

Entscheidend für als gut bewertete Nachrichten sei vor allem das Thema, ob es als Video, Text oder in einem anderen Format verpackt wird, spiele dabei eine untergeordnete Rolle. Dies widerspräche der These, dass TikTok das Allheilmittel sei, um die Gen Z zu erreichen, betont Wimmer. Sehr hoch in der Bewertung haben zudem "Glaubwürdigkeit" und "Faktentreue" geranked. Diese Faktoren finden sich traditionellerweise verstärkt bei Qualitätsmedien, sind aber dort nicht exklusiv. Ebenfalls ausschlaggebend war das journalistische Handwerk – viele der Einsendungen wurden von den Leser*innen als "gut geschrieben" empfunden.

Bei einer genaueren Analyse der Ergebnisse lässt sich auch ein Hang zur Kongruenz erkennen – Konsument*innen finden jene Berichte gut, die ihre eigenen Meinung bestärken oder ihr Wissen über ein Thema verfestigten. "Das ist eine potenziell gefährliche Entwicklung, die besonders durch Filterblasen weiter befeuert werden. Eine Herausforderung, derer sich die Medienakteur*innen bewusst sein müssen", gibt Sophie Lecheler zu Bedenken.

Widersprüchliche Erwartungen an Nachrichten

Die Beobachtungen aus dem Good News Project ergänzen jene von Fachkollegen Folker Hanusch, der in seinem aktuellen Forschungsprojekt die Publikumserwartungen an (digitale) Nachrichten untersucht. Er und sein Team greifen dabei auf ethnografische Verfahren zurück, führen Interviews, Fokusgruppen sowie eine Umfrage durch. "Wir unterscheiden hier zwischen drei Ebenen von Publikumserwartungen", erklärt Hanusch, "erstens den normativen Erwartungen, also was Nachrichten aus Publikumssicht sein sollen, den deskriptiven Erwartungen, die auf tatsächlichen Erfahrungen im Umgang mit Journalismus beruhen, sowie den emotionalen Erwartungen, womit die positiven oder negativen Reaktionen auf Journalismus gemeint sind."

Hanusch und sein Team haben erst kürzlich mit ihrer Auswertung begonnen, es zeigt sich aber bereits, dass Publikumserwartungen äußerst komplex sind. "Wir finden interessante Widersprüche: Das Publikum fordert, dass Journalist*innen gegnerisch gegenüber Politiker*innen auftreten. Auf deskriptiver Ebene zeigt sich jedoch, dass sie ein solches Verhalten als eher unangenehm empfinden", so Hanusch: "Weiters erwarteten unsere Teilnehmer*innen, dass Journalist*innen die Dinge so berichten, wie sie sind. Gleichzeitig sind es genau jene Erfahrungen mit negativen Nachrichten, die viele von ihnen dazu bewegen, ihre Nachrichtennutzung einzuschränken."

Tipps für den Umgang mit schlechten Nachrichten

Schlechte Stimmung nach Medienkonsum? Wir haben die Uni Wien-Expert*innen nach Tipps für den Umgang mit schlechten Nachrichten gefragt. Das sind ihre Empfehlungen:

1.    Klare Nachrichtenzeiten definieren
Planen Sie feste Zeiten für den Nachrichtenkonsum ein, zum Beispiel einmal am Morgen und einmal am Abend. Dadurch können Sie verhindern, dass Sie den ganzen Tag über von Nachrichten überflutet werden.

2.    Eine "nachrichtenfreie" Zone festlegen
Erklären Sie bestimmte Bereiche in Ihrem Zuhause zur "nachrichtenfreien" Zone, zum Beispiel das Schlafzimmer. So können Sie sich an bestimmten Orten entspannen – abgesehen davon ist es erwiesen, dass sich lange Handyzeiten vor dem Schlafengehen negativ auf die Schlafqualität auswirken.

3.    Bewusste Auszeiten nehmen
Planen Sie gezielt Auszeiten von den Nachrichten ein. Dies kann bedeuten, dass Sie an bestimmten Tagen oder dem Wochenende bewusst auf Nachrichten verzichten, um sich zu regenerieren und positive Energie zu tanken.

4.    Blockierfunktionen oder Filter
Beispielsweise "X" hat die Funktion, bestimmte Worte oder Wort-Sequenzen in Ihrem Feed zu erkennen und auszublenden, bevor Sie sie sehen können. Sie können natürlich auch Personen oder Profile generell blockieren, um sich vor potentiell anstößigen Inhalten zu schützen.

Relevant sein und bleiben

"Wir nehmen die Bedürfnisse des Publikums wirklich ernst, und können so einen Gegenpol zu der bisherigen Forschung bieten, die häufig aus normativer Sicht darüber urteilt, ob eine gewisse Nachrichtennutzung 'gut' oder 'schlecht' ist", so Hanusch. Das gemeinsame Ziel der Uni Wien-Expert*innen ist es, die Prozesse von Nachrichtenkonsum besser zu verstehen. "So kann Journalismus für sein Publikum relevant sein bzw. bleiben", ergänzt Hanusch. (red)

© Barbara Mair
© Barbara Mair
Sophie Lecheler begann ihre wissenschaftliche Laufbahn in den späten 1990er Jahren an der Universität München mit einer Arbeit zu Frames im EU Wahlkampf – als es das Internet zwar schon "zum Surfen" gab, die digitale Revolution aber noch in den Kinderschuhen steckte. Heute ist sie Professorin für Kommunikationswissenschaft mit dem Spezialgebiet Politische Kommunikation an der Universität Wien.

Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam untersucht sie Themen rund um digitale Demokratie und Medien, politischen Journalismus, Emotionen in der politischen Kommunikation sowie politisches Framing und Framing-Effekte. Natürlich hat die deutsche Wissenschafterin zur politischen Lage auch eine persönliche Meinung. Doch da sie seit 17 Jahren in einem Land lebt, "in dem ich selbst nicht wählen darf" – erst in England, dann in den Niederlanden und seit 2016 in Österreich –, ist "es wohl ein bisschen einfacher, die politische Kommunikation relativ unvoreingenommen zu erforschen", meint sie schmunzelnd.

© Barbara Mair
© Barbara Mair
Folker Hanusch ist Professor für Journalismus und Vize-Studienprogrammleiter am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören u.a. die Vergleichende Journalismusforschung, Journalismuskultur und Indigener Journalismus.

© Alexander Bachmayer
© Alexander Bachmayer
Nikolaus Wimmer ist Studienassistent am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien und schreibt aktuell seine Masterarbeit über die Publikumserwartungen an die Berichterstattung.