Podcast An der Quelle #16: Barbara Schulte

Was Bildungssysteme voneinander lernen können

16. Oktober 2025 von Mario Wasserfaller
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Bildungsforscherin Barbara Schulte kennt internationale Bildungssysteme aus eigener Erfahrung. Sie lebte in Schweden, studierte und forschte in China und weiß: Kein System ist perfekt, doch alle können voneinander lernen.

"Die Schule, wie wir sie heute kennen, ist eigentlich etwas komplett Unnormales", sagt Schulte, Professorin für international vergleichende Bildungsforschung und Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, im Podcast-Gespräch. Die Idee der Massenbeschulung wurde demnach im 18. Jahrhundert in Preußen geboren, um Kinder zu loyalen Staatsbürger*innen zu erziehen. Bis heute prägen Strukturen wie nach Jahrgängen geordnete Klassen, Noten und Zertifikate den Schulalltag.
 

Die Schule, wie wir sie heute kennen, ist eigentlich etwas komplett Unnormales.
Barbara Schulte

Bereits im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde versucht, das starre System zu reformieren und Schule kindgerechter zu gestalten. Selbst zeitgenössische Ansätze mit projektbasiertem und vernetztem Lernen seien letztlich noch immer Versuche, die Folgen dieses historischen Modells abzumildern, so die Expertin: "Der Prototyp der Schule hat nicht wirklich so funktioniert, wie man sich das ursprünglich gedacht hatte."

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Barbara Schulte: Lernen, wie man lernt

"Wenn ich mir eine einzige Fähigkeit aussuchen müsste: Lernen, wie man lernt. Denn dazu gehören nicht nur Lerntechniken im strengeren Sinne, sondern auch das Erkennen der eigenen Motivation, Offenheit für Neues, Selbstbestimmtheit, Planungsvermögen, individuelles und kollaboratives Lernen usw. Im Prinzip ist diese Fähigkeit also eine umgekehrte Mogelpackung: Es steckt viel mehr drin, als draufsteht. Diese Fähigkeit ist transversal und muss auch so vermittelt werden. Im Prinzip müsste Schule so gestaltet werden, dass der Unterrichtsstoff dem Willen zu lernen folgt und nicht andersherum. Wenn jemand nicht lernen kann oder will, wird jeder Stoff zur Qual."

PISA als Maßstab

Wo Bildungssysteme heute stehen, lässt sich zumindest in Bereichen wie Mathe, Lesen und Naturwissenschaften anhand der PISA-Testungen ablesen. Die bis dato aktuellste Erhebung von 2022 offenbart etwa, dass sich österreichische Schüler*innen zwar vergleichsweise wohl in der Schule fühlen, aber in Mathe, Lesen und Naturwissenschaft nur mittelmäßig abschneiden. Ungleichheit und frühe Selektion verschärfen das Problem, Bildungschancen hängen stark vom Elternhaus ab.

Anstatt jedoch nur nach innen zu schauen, kann ein Blick auf andere Bildungssysteme wertvolle Impulse geben. Das Eintauchen in andere Länder und Kulturen führte Schulte stets lebendig vor Augen, dass Bildung ein Spiegel der Gesellschaft ist. Mit ihrer Familie verbrachte sie viele Jahre in Schweden und besuchte im Zuge von Feldforschungen Hunderte Schulen in China. Fazit: eine Formel für das beste Bildungssystem gibt es nicht, aber lebens- und praxisnahe Vergleiche sind immer bereichernd. Jetzt reinhören!

© Alexander Bachmayer
© Alexander Bachmayer
Barbara Schulte ist Professorin für international vergleichende Bildungsforschung an der Universität Wien. Ihre Forschung verbindet Bildungsgovernance, Globalisierung, Digitalisierung und Bildung in China. Sie ist Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, UNESCO-Beraterin und vielfach ausgezeichnete Wissenschafterin mit internationaler Lehr- und Forschungserfahrung.