UN-Klimakonferenz COP27

Hitze, Dürre, Flut: Sind Katastrophen das neue Normal?

7. November 2022 Gastbeitrag von Lukas Brunner
Die UN-Klimakonferenz COP27 steht im Zeichen der Extreme: Von Hitzekorden in Europa bis hin zu Flutkatastrophen in Asien. Lukas Brunner schreibt im Gastbeitrag über die Notwendigkeit Lösungen zu finden, um Schäden durch die Klimakrise zu vermeiden sowie jene, die unausweichlich sind, bestmöglich zu kompensieren. Denn die Extreme, die heute noch außergewöhnlich sind, könnten bald zum Alltag werden.
Wird die Erde heißer, steigt Extremwetter überproportional: Senior Scientist Lukas Brunner forscht in der Gruppe für Dynamik und Modellierung des Klimasystems an der Universität Wien zu atmosphärischen Hochdrucklagen und ihrer Interaktion mit Extremereignissen, sowie zuModellsimulationen des Klimasystems und ihren Unsicherheiten. © Pixabay/J Lloa

Der Sommer 2022 war in weiten Teilen Europas und der Welt von Hitzewellen und anderen Extremereignissen geprägt. In England wurden erstmals mehr als 40 Grad Celsius gemessen, in Pakistan waren bis zu zehn Prozent des Staatsgebiets von Überschwemmungen betroffen, und in Österreich reihte sich 2022 als viertwärmster Sommer der Messgeschichte ein. Gleichzeitig führte fehlender Niederschlag zu historisch niedrigen Pegelständen von Flüssen und Seen quer durch Europa.

Die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Umwelt und die Gesellschaft werden immer deutlicher und unmittelbarer: Dürre und Waldbrände, austrocknende Seen und Flüsse, zunehmende Hitzetage (Tage, an denen die Höchsttemperatur 30°C erreicht oder übersteigt) und Tropennächte (Nächte, in denen die niedrigste Temperatur nicht unter 20°C fällt). So hat die Messstation Hohe Warte in Wien 2022 ganze 31 Hitzetage sowie acht Tropennächte verzeichnet. Im Vergleich dazu: Zwischen 1960 und 1990 waren es im Durchschnitt nur zehn Hitzetage und zweiTropennächte pro Sommer. Für die menschliche Gesundheit wird diese Hitze und vor allem die fehlende Abkühlung in der Nacht zunehmend zum Problem, was immer mehr Länder dazu bringt, nationale Hitzepläne zu entwickeln.

 

UN-Klimakonferenz COP 27 im Zeichen der Extremwetterereignisse

Am 6. November hat die 27. UN-Klimakonferenz, die COP27, in Scharm El-Scheich in Ägypten begonnen. Sie steht im Zeichen von sich weiter häufenden Extremereignissen rund um den Globus. Bis 18 November geht es für Politiker*innen, Regierungsmitglieder und Interessensvertretungen darum, einen gemeinsamen Fahrplan zu finden, um das 1,5-Grad Limit nicht zu überschreiten. Uni Wien Forscher und Autor des Gastbeitrags Lukas Brunner ist von 14. bis 19. November als Beobachter bei der COP27 in Ägypten.

 

Die Klimaforschung hat lange Zeit gezögert, individuelle Ereignisse direkt mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen – kann doch ein einzelner warmer Sommer auch durch die zufälligen Schwankungen des Wetters entstehen. Inzwischen gibt es aber Anstrengungen, den Beitrag des Klimawandels zu einzelnen Ereignissen zu quantifizieren. So haben Wissenschafter*innen der World Weather Attribution Initiative berechnet, dass der neue Hitzerekord von über 40°C in England ohne Klimawandel extrem unwahrscheinlich gewesen wäre. In einer Studie von 2020 haben Kolleg*innen an der ETH Zürich sogar gezeigt, dass das Klimawandel-Signal inzwischen im globalen Wetter jedes einzelnen Tages detektierbar ist.

 

Wird die Erde heißer, steigt Extremwetter überproportional

Wir beobachten also die Verschiebung von Wetter, das früher als extrem oder sogar unmöglich gegolten hätte, hin zu einem "neuen Normal": Jetzt, also in einer Welt mit einer globalen Erwärmung von ca. einem Grad Celsius. Die Pariser Klimaziele erlauben weitere 0,5°C bis 1°C, um unter 2°C globaler Erwärmung zu bleiben. Doch die von den Staaten der Welt bisher versprochenen Emissionsreduktionen sind für das Erreichen der Pariser Ziele nicht genug. Die Welt steuert daher momentan eher auf eine Erwärmung von insgesamt fast 3°C zu.

Zusätzliche Erwärmung, die zu zusätzlichen Extremereignissen führen wird. Der kürzlich erschienene 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates zeigt auf, dass die Frequenz von Extremereignissen für jede noch so geringe Temperatursteigerung überproportional stark steigt. So ist eine Hitzewelle, wie sie ohne Klimawandel alle zehn Jahre aufgetreten wäre, heute schon in drei von zehn Jahren zu erwarten. Bei +2°C tritt sie jedes zweite Jahr auf und bei +4°C nahezu jedes Jahr.

Neben der Frequenz von Extremereignissen wie Hitzewellen ist aber auch ihre Intensität und Dauer von entscheidender Bedeutung für das Ausmaß der zu erwartenden Auswirkungen. Mehrere Wochen mit Temperaturen um 40°C sind deutlich gefährlicher für Mensch und Tier und bedeuten deutlich mehr Stress für die Vegetation als einige Tage bei 35°C. All diese Faktoren hängen außerdem nicht nur von der globalen Mitteltemperatur ab, sondern auch von den Zirkulationsmustern in der Atmosphäre (der Großwetterlage). So war der Sommer 2010 in Europa einer der extremsten der Messgeschichte, auch weil er von einer außergewöhnlich stabilen Hochdrucklage – einer sogenannten Blocking-Lage – geprägt war.

 

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Vom 31. Oktober bis zum 12. November 2021 fand im schottischen Glasgow die 26. Klimakonferenz statt. In diesem Rahmen sollte der Weg zum 1,5 Grad-Limit mit weitreichenden Maßnahmen konkretisiert werden. Die Politikwissenschafter*innen Alina Brad und Ulrich Brand berichten in ihrem Gastbeitrag über die Herausforderungen der Klimakonferenz.

Grey Swan Ereignisse: Wenn Erhitzung und Wetterphänomene aufeinander treffen

In meiner Forschung beschäftige ich mich unter anderem mit solchen Blocking-Lagen, ihren Auswirkungen und potenziellen Änderungen in der Zukunft. Besonders interessieren mich dabei sogenannte "Grey Swan"-Ereignisse, also Ereignisse, die noch nie beobachtet wurden, aber (durch den Klimawandel) theoretisch möglich sind. Hitzewellen wie die von 2010 werden durch den Klimawandel in der Zukunft auch ohne spezielle Blocking-Lage möglich und daher immer normaler.

Was aber passiert, wenn in der Zukunft eine wärmere Welt und eine Blocking-Lage zusammentreffen? Wir haben so eine Situation bisher noch nicht beobachtet, müssen aber aufgrund der Erfahrung davon ausgehen, dass sie möglich ist – ein Grey Swan.

Um diese immer weiter fortschreitende Verschiebung dessen, was normal, extrem oder (un-)möglich ist, zu verhindern, ist entschlossener Klimaschutz unausweichlich und dementsprechend groß ist der Druck auf die Verhandler*innen der COP27, ihre (unzureichenden) Emissionsziele nachzubessern. Denn vor allem die nächsten Jahre werden entscheiden, ob wir es schaffen, unsere Emissionen zu reduzieren und einen Pfad von möglichst wenig zusätzlicher Erwärmung und möglichst geringem Risiko für immer neue Extreme einzuschlagen.

Lukas Brunner ist Senior Scientist in der Gruppe für Dynamik und Modellierung des Klimasystems an der Universität Wien. Seine Forschung beschäftigt sich mit atmosphärischen Hochdrucklagen und ihrer Interaktion mit Extremereignissen, sowie mit Modellsimulationen des Klimasystems und ihren Unsicherheiten. Er ist Mitglied des Steering Committees der Österreichischen Klimaszenarien und von 14. bis 19. November als Beobachter bei der COP27 in Ägypten.